Marathon des Sables 2001

1.4.2001 - Etappe 1: Daya - Erg Chebbi (25 km)

Punkt 6:00 Uhr fingen die Berber an, die Zelte abzubrechen. Nach spätestens 10 Minuten saßen wir dann irgenwie auf dem Wüstenboden mit allen unseren Sachen um uns verstreut. Ab jetzt war Selbstverpflegung angesagt. Zum Frühstück habe ich mir immer einen Nescafe gegönnt. Gegessen habe ich ein Mix aus Haferflocken und Peronin (Astronautenfutter) und ein bisschen Wasser. Das war fast geschmacksneutral, nicht gerade toll aber es war leicht und nahrhaft. Gefeut habe ich mich immer auf meinen täglichen Powerbar Harvest. Das war dann auch mein Frühstück. Gegen 7:00 Uhr habe ich üblicherweise meine 1,5 Liter Wasser abgeholt und vor dem Lauf viel getrunken, damit ich immer gut hydriert war. Meistens hatte ich noch eine volle Flasche vom Vortag übrig. Die insgesamt 3 Liter Wasser morgens waren auch bitter nötig, weil man davon auch noch 1,5 Liter Wasser für seine Flaschen unterwegs reservieren mußte.

Nur 5 cm klein

Pötzlich wurde gerufen: "Pass auf, .... da ist ein Skorpion!". "Ha, Ha. April, April sicherlich". "Nein, da krabbelt wirklich ein Skorpion". Und es stimmte wirklich: ein kleiner Skorpion, etwa 5 cm lang, krabbelte zwischen unseren Schlafsäcken herum. Mit seiner Sandfarbe war er kaum wahrnehmbar. Ich hatte sie mir immer größer vorgestellt aber gefährlicher als eine Biene sah er nicht aus. Nach ein paar Minuten war das Frühstück wieder wichtiger. Keiner hatte es für nötig gehalten, das Tierchen platt zu treten. Aber jetzt wußten wir: es gab sie, das waren keine Märchen. Außer noch 2 Exemplaren während der 2. Etappe in den Dünen, sah ich in der weiteren Woche keinen Skorpion mehr.

So langsam kam dann doch Stess auf, obwohl wir von 6:00 bis 9:00 Uhr Zeit hatten, uns für den Start zu preparieren. Neben dem Frühstücken mußte man sich anziehen, seinen Rucksack packen, isotones Getränk mischen und später in der Woche auch noch seine Füße (Blasen) pflegen. Ein kleines Abenteuer war immer der Stuhlgang am Morgen. Es wurden von der Organisation braune Papiertüten für das Klopapier zur Verfügung gestellt, damit dieses nicht überall herumflog. Die Tüten wurden dann auch schnell bei uns "Kacktüten" genannt. Ich ging also mit etwas Klopapier und meiner Kacktüte auf die Suche nach einer geeigneten Stelle. Das war gar nicht so ungefährlich. Meistens gab es erst eine geeignete Stelle etwa 100 oder sogar 200 Meter vom Bivouac entfernt. Ich hatte dabei meine Schlappen an und mußte immer aufpassen, daß ich nicht in irgendwelche Dornen trat. Die waren zwar nicht überall, aber immer dort wo man sie nicht erwartete. Einmal stach ein Dorn durch meine Schlappe in meinen Fuß. Ich sage es Euch, das ist kein Spaß wenn man noch vor hat, an dem Tag ein Marathönchen oder ähnliches zu laufen.

Um etwa 8:45 Uhr wurde von der Organisation eine CD aufgelegt. Aus den Lautsprechern kam dann immer wieder diese beschwörende Erkennungsmelodie. (Später konnte man diese CD bei der Organisation käuflich erwerben.) Es wurde zum Start aufgerufen. Langsam strömte das ganze Teilnehmerfeld zum Start. Viele saßen schon da im Schatten vom Landrover, aufblasbarem Startgelände, Luftballons oder Starttransparent. Patrick Bauer, der Renndirektor, kletterte auf einen Landrover und gab jeden Morgen von dort eine Beschreibung von der Tagesstrecke. Diese Beschreibung wurde uns dann flüchtig ins Englische übersetzt. Dann kam auch schon der Startschuß... nein kein Schuß, sondern ein lautes: "Trois, deux, un, ALLEZ!" und los liefen wir. Der Hubschrauber flog über uns, überall summten Kameras und wurde fotografiert.

Team Compaq vor dem Start

Mein Herz raste. Ich war mitten im Geschehen dabei, ein gewaltiges Gefühl. Ich bin erst mal verhalten losgelaufen aber schon schnell verlor ich den Respekt vor der heißen Sonne und erhöhte das Tempo erheblich. Der Hubschrauber drehte noch eine extra Runde über das Teilnehmerfeld. Ich sah Fotografen und Kamerateams und fühlte mich richtig gut. Mit 1,5 Liter Wasser in meinen beiden Flaschen, war ich mir sicher: das reicht voll und ganz für die ersten 11 km. So war es dann auch. In etwa mehr als einer Stunde und 10 Minuten über recht gut laufbaren Boden, kam ich bei CP1 an. Nur eine der beiden Flaschen hatte ich leergetrunken. "Mist," dachte ich noch "jetzt habe ich die ganze Zeit fast ein Kilo zu viel umsonst getragen". Trotzdem traute ich mich nicht, sofort weiter zu laufen. Es war mittlerweile sehr heiß geworden und mein Gepäck machte es mir nicht leichter. Vielleicht brauchte ich für die nächsten 10 km bis CP2 doch länger als ich dachte. Ich füllte also meine leergewordene Flasche auf, trank noch einen großen Schluck und schüttete den Rest des Wassers einfach weg.

Nicht mal eine halbe Minute dauerte meine Pause und weiter ging's. Erst kam wieder Schotter, dann aber viel Sand und auch kleine Dünen. Mann, sind die lästig! Irgendwie waren einige Abschnitte richtig schwierig zu laufen. Vor allem dort wo Autospuren waren, sackte ich tief weg. Mein Tempo war erbärmlich. Ich hatte das Gefühl, daß jeder gleich an mir vorbei laufen würde. Dem war aber nicht so. Auch andere um mich herum meckerten über die Autospuren. Dann passierten wir eine Gruppe Arbeiter die mitten im Nichts mit Hilfe eines Traktors irgendwie Sand umbuddelten. Was um Gotteswillen machten die hier? Kaum war ich an den Arbeitern vorbei, sah ich auf einer kleinen Anhöhe schon CP2. Nach etwa 2,5 Stunden dort angekommen, tat ich das gleiche wie bei CP1. Flasche nachfüllen, was trinken, ... und weg.

Die letzten 4 km bestanden aus etwa 2 km Dünen und 2 km Asche. In den Dünen kam ich kaum voran. Überall war der Sand schon zertreten und das lief sich ganz schwierig. "Das kann morgen bei der Dünen-Etappe heiter werden", dachte ich noch. Nach 3 Stunden bemerkte ich auch, daß ich mittlerweile ganz schön müde war. Ich war dann auch froh, als ich das Bivouac sah. Noch ein zügiger Zieleinlauf, ... immerhin ist es ein Wettkampf! Es hat 3 Stunden und 14 Minuten gedauert, um "nur" 25 km zu bewältigen. Später stellte sich heraus, daß ich 176. von 611 war. Doch nicht so schlecht, also. Damit war ich so richtig zufrieden.

Jetzt bekam man, wie nach jeder Tagesetappe, noch 4,5 Liter Wasser. Das musste dann reichen für den Rest des Tages und das Frühstück am nächsten Morgen. Alex und Eberhard waren schon da. Vom Zelt aus überblickten wir sehr gut den Zieleinlauf. Jedes Mal jubelten wir, wenn die anderen aus unserem Zelt einliefen. Alle kamen recht flott nach mir rein. Wir hatten ein starkes Zelt. Von Eberhard mußte ich einen Rüffel einstecken. Ich sollte mich sofort nach meinem Zieleinlauf ums Essen kümmern. "Dann nimmt's dein Körper am besten auf", meinte er. Fleißig fing ich dann mitten am Tag an, die Hälfte von meinem warmen Essen zu kochen. Nach dem Essen haben Petra und ich noch einen Spaziergang in den Dünen gemacht. Die Aussicht war traumhaft: 2 Kilometer weiter sah man schon die goldgelben Dünen, die wir den nächsten Tag überqueren mußten.

Tip von Eberhard: Sofort nach der tagesetappe eine warme Mahlzeit zu sich nehmen. Der Körper nimmt es dann am schnellsten auf.

Spät nachmittags kamen fast als Letzte, die beiden Rollstuhlfahrer samt Betreuer herein. Wir liefen zur Ziellinie um sie zu bejubeln aber auch aus Neugier um zu sehen, wie die Rollstühle aussahen. 30 Meter vor dem Ziel stieg einer aus seinem Rollstuhl und ging die letzten Meter. Ein wirklich bewegender Moment. Danach habe ich noch die andere Hälfte meiner Packung Trekkingfood gegessen. Kurz vor 19:00 Uhr abends wurde es dunkel. Um 20:00 Uhr war es bei uns im Zelt ruhig. Morgen warteten die Dünen auf uns. Während der Nacht war es so windig, daß Eberhard seine Fahne, die einen riesen Krach machte, abmontierte. Echt kalt war es aber nicht. Mir reichte eine Unterhose und mein Schlafsack als Decke.