Tor des Géants 2012

9. bis 15. September 2012 (304 km, 22500 hm)

Eine Woche lang im Himmel

Nachdem es in 2011 mit dem Zieleinlauf nicht geklappt hat, hatte ich noch einen Rechnung mit dieser "Wettkampf" offen. Es war aber jeder Zeit ein Wettkampf mit mir selber. Meine Erfahrung in 2011 hat gezeigt, daß das Schlafmanagement einer der wichtigsten Faktoren ist um Erfolg zu haben. Die richtige Vorbereitung und Streckenkenntnis waren aus meiner Sicht von Vorteil. Also los geht's ...

Der 1. Etappe von Courmayeur (49 km 3996 hm) ist eher unspektakulär, nicht leicht aber dieses Jahr ohne besondere Vorkommnisse.

Der Tor des Geants ist wahrlich kein gewöhnliches Rennen. Es ist aber auch nicht das härteste, längste oder sonstwas Rennen auf der Welt. Derart Superlative werden gerne benutzt und decken meistens die Wahrheit nicht. Dennoch ist der Tor des Geants mit seine 330 km und 24000 hm überwiegend im Hochalpinbereich eine deftige Nummer. Es ist auf jeden Fall das längste Non-Stop Alpenrennen mit auch wohl den höchsten Anzahl an Höhenmetern.

Letztes Jahr habe ich mich schon mal daran versucht und bin nach 207 km vor lauter Schlafdefizit gescheitert. Dieses Jahr habe ich mir eine genauere Schaftaktik zu Recht gelegt und mich auch weitgehend daran gehalten, denn Schlafbedarf kann man nicht planen. Die Wichtigste Komponente war wohl: die erste Nacht nicht schlafen weil zu wenig müde und auf der Live-Basis vor lauter viele Teilnehmer noch zu unruhig.


Als Vorbereitung habe ich den Gebirgs-Doppelmarathon in Gondo Anfang August und den UTMB eine Woche vor der Tor des Geants ausgesucht. Der UTMB war natürlich vermessen aber mein Hauptziel war der TdG un dafür konnte man sich erst ab Mitte Februar anmelden. Da ich davon aus ging, daß die Anmeldung für den TdG dieses Jahr nicht unbedingt ein selbstläufer sein würde, habe ich mich sicherheitshalber ende Dezember schon mal für den UTMB angemeldet. Durch mein "Lospech" bekam ich natürlich beide Startplätze. Toll. Nach lange Überlegen war der Plan um beim UTMB geplant nach halber Strecke in Courmayeur auszusteigen und dann eine Woche die Beine hochzulegen. Das sollte reichen für den TdG. Ein für mich glückliche Umstand war das Wetter, das dafür sorgte, daß der UTMB nur auf französiser Boden ausgetrage wurde und nur 103 km hatte. Da habe ich es mir nicht nehmen lassen, auch dort die Finisher-Weste "abzuholen".

In der Vorwoche habe ich mit einigen Bekannten noch ein paar Bergwanderungen gemacht, die allerdings nie länger als 4 Stunden gedauert haben. Ich kam also recht gut vorbereitet und auch gut ausgeruht an dem Start des TdG. Die ersten 4 "Etappen" kannte ich auswendig und von den übrigen 3 "Etappen" kannte ich mehr als die Hälfte. Nur die 6. "Etappe" war mir weitgehend unbekannt. Algemein wird gesagt, das die gerade "Etappen" am schwersten sind. Schwieriger als der 4. geht nicht, dachte ich. Also bin ich guter Dingen am Start erschienen. Der Start ist ein riesen Spektakel. Diesmal flogen ein paar ferngesteuerte Okto-Hubschrauber über uns und auch ein paar Fallschirmspriger mit Hilfsmotor. Der obligatorische richtige Hubschrauber fehlte auch nicht. Überall gab es Mitstreiter mit dem man freundlich bekanntschaft machte. Die 630 Teilnehmer sind eine große Familie. Alleine das Ganze am Start gab mir öfter Gänzehautfeeling, auf niederländisch würden wir sagen: "Ameisentitten" :-)


Wir standen recht weit vorne. Das war nicht geplant, sondern das war einfach so. Deswegen waren wir nach etwa 20 Sekunden nach dem Startschuß schon unter dem Startbanner durch. Das hatte aber einen Vorteil: Nach etwa 1,5 km gibt es ein Verengung von der Staße auf einem Single-Trail. Da hatte es letztes Jahr gestaut. Dieses Jahr habe ich davon nichts mitbekommen. Der erste Berg bin ich recht ruhig angegangen und hatte das Gefühl, die Anderen machen das auch. Erst mal ging es durch den wald steil nach oben und nach einer halbe Stunde gab's dann breitere waldwege, allerding im freien. Ich bin unbeirrt ruhig weiter und habe mich von vielen überholen lassen. Oben auf der 1. Berg "Colle d'arp" angekommen machte ich keine Pause, sondern bin in raschem Tempo bergab gerannt. Bis zu Verpflegung Mayen Youlaz hatte ich schon wieder einige Mitstreiter kassiert die ich beim Anstieg hab' ziehen lasen müssen. Bis La Thuile lief es für mich als hervorragender Bergabläufer richtig Gut. Ab dann, wußte ich, darf ich kein Bier trinken wie letztes Jahr. Das hat mich den Nachmittag versaut. Nein, nach weniger als 5 Minuten war ich wieder 'raus aus der Verpflegungsstation und konnte die flache Strecke gut nach La Joux joggen. Dort fing der 2. Hauptanstieg nach Refugio Deffeyes/Haute Pass an.

Diesmal hatte ich den Anstieg im Griff. Weder überholte ich kaum, noch wurde ich überholt. Ich wählte ein gemütliches bis leicht anstrengendes Tempo und fühlte mich gut. Ab Defeyes wurde es ruhiger um mich herum und es wurde auch hochalpin. Nach eine Hochebene ging's dann zum 2800 m hohe Haut Pass. Der Abstieg nach Promoud war wieder richtig was für mich. Ein langes unwegsames Geröllfeld bergab ist so richtig mein Ding. Harald Bajohr sah sich das an un schüttelte den Kopf. Das macht er lieber mit mehr respekt. Ich habe ihn dann auch erst wieder im nächsten Live-Base wieder gesehen. Ich ging wo er gerade ankam. So weit isses aber noch nicht. Est kommt noch Coll de Crosaties, wieder ein 2800er, unten recht gut begehbar, dann wird's unwegsamer, sogar ein Stück mit einem Seil, dann aber eine lange Steinreihe als Treppe gestapelt. Diesmal war ich dort noch im Hellen und es gab diesmal auch kein Gewitter. Ein Flötenspieler begrüßte uns schon von Weitem mit seine Melodien. Schwuppdiewupp war ich über den Col und wieder rasch bergab. Steil aber Lauf- oder besser gesagt Springbar. In Vogelflug noch in der Dämmerung nach Planaval und eher Flach und im Dunkeln nach nach Valsigrensche, der 1. Live-Base. Da war wie erwartet viel Betrieb und ich kümmerte mich schnell um meinen Rucksack und meinen Magen.


Tor des Geants 2. Teil Valgrisenche – Cogne - 56 km 4141 hm

Ich bekomme meinen Drop-Bag gereicht und sie wollen mich im 1. Stock schicken zum schlafen. Ich will aber nur was essen und weiter machen. Die Tasche darf aber nicht im Essensbereich. Ich mogele den trotzdem durch. Während ich was esse, inspiziere ich meine Füße und sie sehen hervorragend aus. Ich wechsele lediglich meine Socken. Alles andere bleibt wie es ist. Noch kurz meine Baumarktklemme auf die Achillessehne um sie etwas zu beruhigen. Zwar spüre ich (noch) keine Schmerzen aber ich weiß, daß das kommen wird. Jean-Michel, der die beide ersten TdG’s gefinished hat photografiert mit Begeisterung meine Achillessehne mit Bauklemme. Nach eine gute halbe Stunde habe ich genug gegessen: Nudeln mit roter Soße, ein Ei, Thunfisch und ein Yogourt geht's zum 2. Sektor dieses Rennens.

Im Wesentlichen besteht dieser Teil aus 3 hohe Berge die wir hoch und herunterrennen sollen. Der 1. ist der Col de Fenetre (2840), relativ leicht hoch aber ganz fies steil bergab (und das im Dunkeln). Der 2. ist der Col Entrelor (3007), am Anfang leicht, später steiler zur Paßhöhe, dann aber nach ein kurzes Steinfeld recht leicht bergab. Der 3. ist der Col Loson (3299), relativ leicht aber echt ewig berg hoch und bis auf ein paar Stellen mit Seilen oder Felsen recht leicht bergab. Achja, kurz nach Refugio Sella gibt es noch ein ganz böses Felsstück mit Schrägabschnitte, daß etwa 20 Minuten dauert und wo man leicht verzweifelt und flucht. Danach geht es recht easy durch den Wald herunter nach Valtoney, kurz vor Cogne.

Nach etwa 500 meter außerhalb Valsigrenche bemerke ich, daß ich meinen Trinkbecher vergessen bin, also renne ich schnell zurück. Ich begegne wieder das Östereichische Pärchen Franz und Margit und erzähle von meinem Schicksal. Wieder beim „Live-Base“ angekommen schaue ich auf "meinem" Tisch. Nichts da. Mist. Ich schaue noch mal in meinem Rucksack und siehe da: Entwarnung. Ich hatte sie etwas schlampig an die falsche Stelle verstaut. Verdutzt lasse ich den Zeitmesser im Zelt zurück mit der Bemerkung: "Du hast mich schon". Jetzt aber dalli den Berg hoch.

Dann aber nachts den für mich bekannte Weg hoch. Ich halte mich zurück und werde von etwa 6 Teilnehmern überholt. Ich bin halt nicht so gut bergauf. Die Strecke ist schön und ich genieße wirklich das Laufen in der Nacht. Mir geht’s gut, bin nicht müde, habe keine Blasen und bin wohl ernährt. Was will man mehr? Nach etwa 1,5 Stunde beschleunige ich etwas. Es sind Stirnlämpchen hinter mir zu sehen und ich schalte so langsam wieder auf „Wettkampfmodus“. Es geht Durch einem Wald, dann eine offene Fläche und dann kurz steil hoch, wieder in einem Wald. Ich schaffe es ohne überholt zu werden bis zu der Hütte Rifugio l’Epee. Es ist relativ ruhig dort. Einigen liegen auf den Bänken und haben die Augen zu. Ich trinke ein paar Cola und esse ein paar TUCs, fülle noch meine Trinkblase und verschwinde wieder im Dunkeln. Es sind noch etwa 500 hm zum Col de Fenetre. Das Hochtal ist breit und ich sehe eine Schlange von Stirnlämpchen vor mir bis zur Paßhöhe. Man kann genau sehen wo die Kurven sind. Ich finde so was spektakulär, so mitten in der Nacht im Hochgebirge. Bald bin ich dann oben am Col und schaue auf der andere Seite herunter. „Scheiße, das kommt mir dieses Jahr noch steiler vor“, dachte ich. Ganz unten sind ein paar Stirnlämpchen zu sehen, senkrecht unter mir. Halleluja! Ich gehe los und meistere dieses Steilstück von etwa 1000 hm herunter recht gut. Ich schaue hoch und sehe dort Stirnlämpchen neben den Sternen. Diesen Abstieg ist unglaublich steil. Gottseidank ist es Nacht. Bald komme ich in Rhemes Notre-Dame an. Letztes Jahr war ich im Morgengrauen da, jetzt ist es noch komplett dunkel.

Bei der Verpflegung esse ich 2 Suppen, Trinke Cola, und esse noch was Brot mit Käse und Schinken, halte mich nicht länger auf und bin schon wieder unterwegs. Bei der Zeitnahme bin ich etwa 330. Es gibt es also noch gut 300 Teilnehmer hinter mir. Das ist beruhigend zu wissen. Der nächste Anstieg zur Col entrelor ist zwar nicht echt schwierig aber weil sie auf 3000 m hoch geht, dauert das schon ein Bißchen. Wenn ich auf eine Hochebene ankomme, fängt es an zu dämmern. Weit und breit hinter mit niemand zu sehen. Es geht auf das letzte durchaus steilere Stück. Fleißig stapfe ich hoch und überhole sogar noch den Ein oder Andere. Normalerweise bin ich Bergauf eher langsamer, dafür aber Bergab recht schnell im Vergleich zu den Anderen. An Col (Entrolor) habe ich kaum Erinnerungen mehr. Auf jeden Fall bin ich ohne Pause sofort weiter. Bergab bin ich aber wie der Teufel gerannt. Unten in Eaux Rousses angekommen, war ich 295. Letztes Jahr habe ich da meine damals schon lädierte Füße gepflegt. Dieses Jahr war nichts. Ich hatte sogar 3 Stunden Vorspung auf meine Zeit von letztem Jahr. Ich aß und trank was und bin schnell den nächsten Berg hoch. Ich passierte die Stelle wo ich mich letztes Jahr ein halbes Stüdchen hinlegen musste. Dieses Jahr war ich überhaupt nicht schläfrig und sackte wieder wertvolle Zeit ein.


Der Col Loson hat es in sich. Wir steigen von 1600 auf 3300. Das ist ein Brett. Vor Allem: es ist schon der 6. Gipfel hinter einander. Ich bin schon 24 Stunden auf die Beine, habe nicht geschlafen, bin aber bester Laune. Es läuft gut. Die Mittagshitze kündigt sich an. Ich versuche schnell das Stück unterhalb dem Wald hinter mir zu bringen. Ich sehe weit und breit keine Teilnehmer, bin aber auf dem richtigen Weg. Die gelben Fähnchen stecken schön etwa alle 100 m am Rand im Boden. Der Wald beruhigt mich und ich nehme Dampf heraus. Dennoch stapfe ich stramm den Berg hoch. Nach etwa einer Stunde komme ich an einer Stelle wo sich viele Teilnehmer hingelegt haben: Loson Inferieur. Ich setzte mich in Gras, genieße den Ausblick, esse was aus meinem Rucksack, fülle meine Trinkblase mit Wasser aus der Tränke und bin wieder auf dem Weg ins Seitental. Schön kann man die Teilnehmer vor mir sehen. Ich nehme mir vor, mindestens alles 5 Minuten eine zu kassieren. In Etwa klappt das auch. Der Anstieg ist aber lange, … sehr lange. Irgendwie macht das einem kaputt im Kopf. Ich schaffe es recht vernünftig bis etwa 300 Meter unter der Paßhöhe. Wir sind hier auf 3000 m und man merkt schon die dünnere Luft. Alle paar kurven muß ich stehen bleiben. Den Anderen geht es nicht anders. Immer wieder setzte ich an zu den nächsten Höhenmetern aber ich fühle mich schlapp. Unter mir muß einer kotzen. Ich quäle mich den Berg hoch, über frische Schneereste von vergangene Nacht. Wie einfach war es doch vor eine Woche wo ich hier mit meiner Freundin einfach den Berg hoch gewandert bin. Diesmal klappte es nicht so gut.

Oben angekommen, der höchste Punkt des Rennens, 3300 Meter (na ja gut, eine Meter weniger), konnte ich erst gar nicht genießen. Ich hatte den Aussicht letzte Woche schon ausgiebig genossun und wollte weiter. Vielen habe da ein Päußchen gemacht. Ich wußte aber, daß man diesen Berg recht gut bergabrennen kann. - Eine Woche zu Vor bin ich vom höchsten Punkt in 1:45 heruntergerannt, vorbei an Refugio Sella, direkt nach Valtoney. Da ist zwar nicht der Base-Vita aber ab dort ist es wirklich nur noch einfach. Wer da noch kraft hat kann viel Zeit gutmachen. – Also bin ich sofort herunter. Erst noch ein paar steile Stellen, z.T. mit Seil und wirklich gruselige Abgünde bewaltigt. Dann aber fing der laufbarer Pfad an. Vielen waren erst mal angenockt. Ich zwar auch aber hier wollte ich herunterrennen und Zeit gutmachen. Das klappte wunderbar. Es dauerte keine 40 Minuten, hatte etwa 10 anderen überholt und kam bei Rifugio Sella. Da gibt es leckeres Bier. Dennoch ließ ich nur meine Zeit nehmen und wurde dabei eingeladen von den Zeitnehmern, mal hereinzuschauen. Ich zeigte auf die Uhr mit der Bemerkung: „Termine, Termine“. Ob sie das verstanden haben, weiß ich nicht aber ich war mal wieder voll im Wettkampfmodus. Bis auf das schwierige, etwa 20 Minuten dauerende steinige Stück, bin ich bis Valtoney herunter gerannt. Sogar das Österreichische Pärchen habe ich stehen lassen. Ich war in meinem Element. In Valtoney schaute ich auf die Uhr: 2:05 Std. Vielleicht doch nicht so schlecht. Das letzte Stück bin ich abwechselnd gejoggt und schnell gewandert, immer mal jemand überholt. Auf dem Asphalt vor Cogne treffe ich Georg auf seinem MTB, der seine Freundin Anke im Rennen betreut. Ich sagte ihm, sie dürfte bestimmt noch eine halbe Stunde brauchen. Dann kam ich in der 2. Base-Vita in Cogne an, 4 Stunden früher als letztes Jahr. Jetzt werde ich schlafen.


Tor des Geants 3. Teil Cogne - Donnas - 44 km 3348 hm

Es war 18:00 Uhr abends, etwa 4 Stunden früher als letztes Jahr. Damit hatte ich unglaublich 12 Stunden Vorsprung auf dem Cut-Off. Allerdings mußte ich erst nochmal schlafen. Im "Base-Vita" angekommen bekomme ich meine Tasche und esse ich erst mal was, trinke ein Bierchen, fülle schon mal meine Trinkblase und stopfe ein paar Riegel in meinem Rucksack für der nächste Etappe. Ich kannte mich hier genau aus. Es war ähnlich wie letztes Jahr, nur der Eingang des Essenszeltes war auf der andere Seite. Geschlafen wurde aber in der Sporthalle direkt nebenan. Nachdem ich mir dort im Halbdunkeln ein Feldbett ausgesucht habe, traf ich Thomas. Er war gerade aufgestanden und meinte er hätte kaum geschlafen. Vielleicht legt er sich noch ein Stündchen hin. Ich bin erst mal in die Dusche. Nötig war das nicht aber es gibt ein angenehmeres Gefühl. Zurück aus der Dusche, sah ich daß Thomas sich tatsächlich noch mal hingelegt hat. Ich hab' mich auch sofort hingelegt, Wecker gestellt und bin eingeschlafen.

Etwa nach 23:00 Uhr hatte ich genau die 4,5 Stunden Schlaf die ich mir vorgenommen hatte. Etwas benommen stand ich auf und zog mich an. Ein Bisschen Fußpflege. Viel war nicht nötig weil ich überhaupt keine Blasen oder Druckstellen hatte. Dennoch habe ich vorsorglich die Fersen und den beiden große Zehen getaped. Dann lächelte mein Geheimwaffe mich an. Seit ein paar Monate hatte ich viel auf diese ominöse HOKAs trainiert und kam sehr gut damit zurecht. Ich hatte mir für den TdG das Model Mafate besorgt: extrem gedämpft. Ich zog sie an und es fühlte sich an wie auf der Couch. Herrlich. Schnell noch das Ein oder Andere gerichtet und 'raus war ich. Eine Ministronesuppe mit was Brot als Frühstück und um ziemlich genau Mitternacht war ich dann wieder auf der Strecke.

Erst mal warmgehen. 2 Italiäner begleiteten mich. Viel wurde nicht gesprochen. Erstens verstanden wir uns kaum und alle waren noch schläfrich. Ich kannte diese etappe noch von letztes Jahr und gilt eher als leicht mit "nur" einem Berg. Prompt verliefen wir uns. Am Ende einer Riesen Parkplatz war auch wirklich Ende. Kein Pfad, ... nichts. OK, dann zurück. Nach 200 meter entdeckten wir unseren Fehler. Wir mußten links schräg hoch, also rechts aus Läufersicht. Nachdem wir die Rampe hochgegangen waren sagte ich ciau und fing an zu trotten. Bald waren die beide Italiäner außer Sichtweite. Es folgten 3 flache km die ich wieder nützen wollte. Ab Lillaz ging es dann wieder Steil bergauf. Ich fühlte mich besser und besser: mehr als 6 Stunden Vorsprung auf dem Cut-Off, hellwach, gut durchgefuttert und so richtig im Saft. In Goiles trank ich 2 Becher Cola und huschte wieder weiter. Weit und breit war niemand zu sehen. Lettes Jahr war ich hier zwar nicht gut drauf aber dennoch mag ich diesen Abschnitt sehr gerne. Nie ist es richtig steil. Der wald ist wunderschön, auch nachts und ab eine bestimmte Höhe und nach ein kleines Seitental hat man eine wunderbare "Sicht" auf der Strecke hinter sich. Ganz weit hinter mir waren 2 Stirnlämpchen zu sehen, sonst nichts.

Irgendwann kam ich dann aus dem Wald heraus und eine leicht ansteigende Hochebene Richung Rifugio Soglio fing an. Ein paar Stirnlämpchen weit vor mir versuchte ich zu überholen. Sie waren aber genau so schnell wie ich. Der Weg zu meine Lieblingsrifugio zog sich aber endlos. Endlich erreichte ich es dann auf etwa 2500 m Höhe. Schön warm war es dort und der Tisch war gedeckt wie im letzten Jahr. Ich wählte das gleiche wie letztes Jahr. Kartoffelchen mit Rindfleisch. Maronenkompott mit Sahne als Nachtisch. Wo bekommt man so was als Verpflegung? Lange bliebe ich nicht. Diesmal wollte ich die letzten 350 hm noch im Dunkeln absolvieren und möglichst schon wieder weit bergab sein wenn es anfängt zu dämmern. Auch das klappte wunderbar. Col Fenetre di Champorcher war schnell erreicht. Letztes Jahr war es hier für mich schon hell. Danach kam ein eher unbequemes Stück bis Lac Miserin. Es war immer noch Dunkel. Der Weg war sehr gut laufbar, soweit man die Steine ignoriert. Mit meine Hoka-Mafates war das überhaupt kein Problem. Ich überholte sogar der Ein oder Andere. In Refugio Dondena blieb ich auch nicht lange. Letztes Jahr habe ich hier meine Füße verpflegen müssen. Dieses Jahr war alles im Grünen. Von Rifugio Dondena nach Chardonney sind es quasi 500 Meter begab, entweder über riesen Treppensteine oder über eine Weidenlandschaft. Ich kam sehr schnell voran.


In Chardonnez war die Verpflegung an eine andere Stelle. Erst verwirrte mich das, aber die gelben TdG-Fähnchen zeigten mir unmiskennbar den richtigen Weg. Es war mittlerweile hell geworden und im Verpflegungszelt war nicht viel los. Außer mir waren noch 2 andere Teilnehmer dort. Ich setzte mich hin und die Freiwilliger von der Verpflegung brachten mir alles was ich mir wünschte. Ein Brötchen, eine Flasche Wasser, ja sogar mein Becher wurde 2 mal mit Cola nachgefüllt. Ich saß dabei wie ein König in meinem Stuhl. Es gibt so viele Gründe überall ein Bisschen länger zu verweilen. Dennoch war ich innerhalb von 10 Minuten wieder auf der Piste. Von Champorcher nach Pontbosset ist es leicht laufen. Dennoch musste ich des Öfteren spazieren. Richtig müde war ich dennoch nicht. Von Pontbosset nach Donnas ist es deutlich schwieriger. Einige Gegenanstiege und Geröllfelder im Wald sind zu bewaltigen. Es ist dort sehr schön mit viele Bäche und Brücken. Keine Zeit. Ich wollte so schnell wie möglich in Donnas sein um noch deutlich vor dem Dunkeln auf der nächste Etappe gehen zu können. Nachdem ich dan aus dem wald war fing ein langes Asphaltstück an. Ich versprach mich zu joggen und wirklich kein Schritt zu gehen. Durch Hone, an Forte di Bard entlang, danach der lange Fußweg an der Hauptstraße entlang bis zur "Lebensbasis". Das hat gut geklappt. Alles ohne Gehpause gejoggt. Dafür schwitzte ich jetzt wie Sau. Es war auch richtig warm und wir waren jetzt nur noch auf 300 üNN. Es war noch vor 12:00 Uhr mittags.

Ich traf Thomas. Er war gerade dabei aufzubrechen und meinte, ik kann sein Feldbett haben. Es gab nämlich 5 Feldbetter auf dem Podest im Saal unten. Das hat der Vorteil, daß man nicht nach oben muß wo eigentlich alle schlafen. Der Geräuschpegel unten störte mich nicht und nach was gegessen zu haben, fiel ich tot um.


Tor des Geants 4. Teil Donnas - Gressoney St. Jean 53 km 4107 hm

Nach dem Essen habe ich mich hingelegt. Geschlafen habe ich nicht viel. Vielleicht lag es doch am Geräuschpegel in der Halle. Es war ein Kommen und Gehen. Oben wäre es vielleicht doch besser gewesen. Um halb 4 Mittags, also gerade mal 3,5 Stunden nach meinem Eintreffen, war ich wieder dabei, alles zusammen zu packen. 2 Teller Suppe verdrückt und um 16:00 Uhr war ich wieder unterwegs, etwa 3 Stunden früher als letztes Jahr und mit ganze 8 Stunden Vorsprung auf dem Cut-Off. Mein Vorhaben, die nächste Verpflegung in Perloz im Hellen zu erreichen dürfte nun leicht zu erreichen sein.

Der 4. Sektor ist angeblich das schwierigste Teilstück. In 2011 bin ich es schon mal mit 2 Freunden abgewandert und danach nochmal im Wettkampf gerannt. Ja, es ist schwierig, ... verdammt schwierig. Es sind nicht unbedingt die große Höhen, sondern es ist mehr die recht unbequeme Wegführung. Ich war also sehr gut vorbereitet.

Der Anfang der 4. Sektor war erst mal anders wie in 2011. Eine Nachbargemeinde von Donnas, Pont-Saint-Martin, war diesmal mit eingebunden. Erst ging es mal ordentlich hoch über viel Asphalt. Die Nachmittagssonne war unangenehm warm. Endlich ging es dann quer durch die Weinberge steil bergab über ein recht unangenehm zu laufender Single-Trail. Der endete dann in Pont-Saint-Martin. Hier mußten wir quer durch das kleine Städtchen. 2 Mal fand ich nicht mal mehr die TdG-Fänchen. Leicht verärgert kam ich dann an einem Kontrollposten vorbei. Sie boten heimische Schokolade an. Ich grüßte nur und rief, daß ich keine Zeit hatte um stehen zu bleiben. Eine Frau sprach mich noch an. Ich vermute mal, daß sie wissen wolle, wo man solche schwarze Leggings mit silbernen Honiggratmustern bekommt. Ich hob meine Schultern und sagte: „Holland“ und lief weiter. Danach ging es über eine schöne alte Stadtbrücke und weiter hoch über endlose Treppen, bis ich wieder zurück in die Natur war. Hier erkannte ich die Strecke wieder vom letzten Jahr.

Meine Laune war schlagartig besser. Das Essen war mir jetzt auch nicht mehr im Weg und die Sonne war nicht mehr so warm. So kam ich gut voran. Perloz erreichte ich dann auch deutlich im Hellen. Letztes Jahr war es hier schon 22:00 Uhr abends und dunkel. Lange war ich nicht bei der Verpflegung. Es stand eine der längsten Anstiege überhaupt an und ich wollte so viel wie möglich noch im Hellen schaffen. Erst noch mal herunter über wieder mal eine sehr schöne alte Brücke, die „Ponte Moretta“, und dann nur noch nach oben. Erst mal Asphalt, durch 2 Dörfchen durch, dann wieder Single-Trail, Wald und steile Treppen. Langsam wurde es dunkel und ich hatte eigentlich erhofft schon in Sassa zu sein aber der Weg zog sich endlos. Ich fing an mich zu quälen. Auf der Strecke war niemand vor oder hinter mir. Lange hatte ich keinen Teilnehmer mehr gesehen. Kurz vor 21:00 Uhr war ich dann doch in Sassa. Hier war eine Zeitnahme und eine sehr freundliche Bedienung mit dem ich mich gemütlich unterhielt. Immer noch keine Spur von anderen Teilnehmern. Bis dann endlich ein paar Stirnlämpchen erschienen. Es war an der Zeit, weiter zu gehen.

Jetzt wurde es steiler und schwieriger. Dazu kam ein sehr unangenehmer starker Wind. Ich zog meine Jacke an. Kurz vor Col Clarissey mußte ich oft fluchen. Windig, kalt, dunkel, glitschig und auch noch schlammig. Schon lag ich auf meinem Hintern. So ein Mist. Ja, solche eklige Teilabschnitte machen den 4. Sektor zur Hölle. Bei Col Clarissey ist man noch nicht oben. Von da aus muß man über einen Grad, völlig den Wind ausgesetzt nach Rifugio Coda. Das Refugio war bald sichtbar, kam aber nicht näher. Eine gefühlte Ewigkeit später kam ich endlich dort an. Die halbe Strecke vom Tor des Geants hatte ich jetzt geschafft. Draußen gab’s die Verpflegung für das Rennen. Ich trank ein Cola und bekam eine Ministronesuppe. Auf sofort weiterlaufen hatte ich erst mal keine Lust. Ich hatte richtig Kohldampf und ging herein ins Refugio und sehe da, … es gab mehrere die den gleichen Gedanken als ich hatten. Ich bestellte ein Portion Rostbeef mit Kartoffelpüree mit dazu noch einem Cola. Herrlich. Bald war ich wieder draußen und hatte meine gute Laune wieder. In noch keine 10 Minuten erreichte ich Colle Sella. Ab da ging es dann ungemütlich bergab. Letztes Jahr mußte ich meine Schuhwahl verfluchen. Die Salomons damals hatten überhaupt keinen Gripp. Anders dieses Jahr. Meine Hokas waren einsame Spitze. Dort wo ich letztes Jahr ständig ausrutschte, konnte ich diesmal richtig schnell herunterhuschen. Unten angekommen, sah ich zurück und konnte ganz weit oben ein paar Lämpchen entdecken. Das beruhigte mich. Jetzt ging‘s ab in den Wald. Auch dieser Teil war recht ungemütlich mit dem ewigen auf und ab. Aber Bald hatte ich Lago Vargno erreicht. Hier war eine etwas größere Verpflegung eingerichtet mit Lagerfeuer und Möglichkeit zum Schlafen. Trotz Nacht war mir nicht nach schlafen. Ich war gut drauf und schaltete wieder auf „Wettkamppfmodus“. Der vor mir liegende Anstieg nach Col Marmontana ist zwar lange aber nicht schwierig. Ich versuchte so schnell wie möglich oben zu sein. Oben nam ich mir keine Zeit und verschwand sofort auf der andere Seite nach unten. Hier war es wieder Zeit zum Fluchen. Unglaublich eklig ist dieser Abstieg. Kaum ist ein Pfad zu erkennen, es war steil und überall lagen Steinbrocken. Das hatte ich mir nicht mehr so in Erinnerung. Ich war froh, daß ich unten bei der Verpflegung bei Lago di Chiaro ankam. Hier setzte ich mich erst mal auf einen Stuhl, bekam eine warme Suppe und nickte am Lagerfeuer ein.

Nach etwa 20 Minuten raffte ich mich auf und verabschiedete mich. Es gab noch einige Schwierigkeiten zu bewältigen, bevor diese Etappe zu Ende war. Sehr unwegsam ging es weiter bis dann der nächste Anstieg nach Crenna Dou Lui kam. Der ist nicht lang aber steil. Ich schätze mal, daß ich dafür eine gute Stunde gebraucht habe. Durch ein Felsspalt kommt man auf die andere Seite. Es Dämmerte und es war kalt. Hier geht das erste Stück erst mal haarsträubend bergab. Meine Schuhe waren auch hier wieder ein wahre Erfolg. Unten angekommen folgt eine Hochebene mit Irrgarten. Links, rechts, hoch, herunter, um Steingruppen und kleine Seen herum. Ein richtiges laufen fiel mir hier schwer. Dann auf einmal erschien aus dem Tal ein Hubschrauber. Der flog direkt auf mich zu. Ich dachte, der will etwas von mir. Er blieb etwa 30 meter über mir bei einem Fels hängen und ich mußte mich auf dem Boden setzen um nicht weggeblazen zu werden. Ich sah, daß jemand auf eine Trage eingeladen wurde. Brrrrr. Nachdem der Hubschrauber weg war konnte ich dieses unangenehme hin und her fortsetzen. Endlich konnte ich seit langem mal wieder jemand überholen. Derjenige war kaum ansprechbar und schien fertig mit sich selbst und die Welt zu sein. Bald kam ich bei der nächsten Verpflegung bei Colle de la Veccia. Da waren alle zusammengekauert in einem Glaskontainer. Etwas trinken und essen und weiter. Derjenige den ich vorhin überholt hatte, kam gerade als ich ging. In so eine kurze Zeit hatte ich ihm mehr als 10 Minuten abgenommen.

Ab hier ging es kurz hoch und dann eine Art Römerstraße bergab. Bald wurde es wieder unwegsam, diesmal steil bergab. Obwohl ich dieses Stück schlecht in Erinnerung hatte, fiel es mir dieses Mal recht leicht. Trotz alle gemeinen Gegenanstiege kam ich bald in Niel an. Noch ein Berg und auch diesen Sektor war geschafft. Hier futterte ich etwas vom warmen Grill, füllte mein Trinkbeutel und verließ diese verlockende Verpflegung innerhalb von 20 Minuten. Der Anstieg nach Col Lazoney (2364) ist nicht schwierig aber recht lang. Ereignislos kam ich oben an. Dort fängt eine Hochebene an. Eigentlich sehr gut zu laufen, soweit man das das viele Wasser ignoriert. Gerade hier konnte ich diesmal nicht joggen. Ich war mal wieder zu müde. Merkwürdig. Es mußte was passieren. Da war zum Glück die Verpflegung in Oberloo. Hier gab’s eine wahre Pracht an Essenauswahl. Außer mehrere Käse und Salamisorten gab’s Pizza, Kuchen, Quiche, Rotwein und vieles mehr. Es standen einige Teilnehmer herum. Alle verweigerten den angebotenen Sekt. Ich nicht. Es war zwar aus einem Plastikbecher aber genau das Richtige für mich auf dem Moment. Fröhlich trank ich sogar einen 2. Becher und alle um mich herum staunten. Ich erklärte, das würde die nächste 10 übele km vernebeln. Schon sprintete ich weg, alle anderen erstaunt stehen gelassen. Diesmal waren diese übele km recht ängenehm“. Zwar gab es diesmal auch wieder diese Geröllfelder mitten im Wald, wo "keiner freiwillig spazieren geht". Letztes Jahr sah ich hier noch ein verliebtes Pärchen hochwanderen, währenddessen ich die Welt nicht mehr verstand. Richtig schnell war ich unten und die letzten 3 km auf Asphalt bin ich vollständig gerannt.

Um 15:00 Uhr mittags kam ich in Gressoney an. 10 Stunden vor dem Cut-Off. Viel Zeit hatte ich also nicht gewonnen. Tja, diesen 4. Sektor hat es auch in sich.


Tor des Geants 5. Teil Gressoney St. Jean - Valtournenche 39 km 2601 hm

Die Base-Vita in Gressoney ist echt angenehm. Die Sporthalle ist groß und ist nicht so überlaufen. Mittlerweile hat der Wettkampf die Teilnehmer auseinandergerissen. Manchal sieht man eine halbe Stunde kein andere auf der Strecke. So war es dan auch in Gressaney. Ich aß gut vom Buffet und trank ein Bier. Nur eins! Danach schnell duschen und ab in die Haia. Es war zwar mittags aber man kann's ja sich nicht aussuchen. Die Schlafhalle nebenan bestand aus Feldbetten und ein Riesenpolster um Unfälle beim Indoor-Klettern zu vermeiden. Beide Möglichkeiten waren verlockend. Ich wählte ein Feldbett am Ende der Halle. Da ich noch im Hellen bei "Rifugio Alpenzu" sein wollte, stellte ich den Wecker auf lediglich 3 Stunden schlaf. Ich war auch nicht sooo müde. Noch vor der Wecker klingelte, war ich schon wach. Ich beschloß sofort aufzustehen. Noch schnell eine Suppe hereingedrückt. Eine Suppe als "Frühstück" hat mich in Cogne schon sehr gut gefallen. Danach war ich wieder auf der Strecke. Es war früh abends und noch Hell. Es kam mir ein Wenig frisch vor, also hielt ich soft an und noch auf der Ecke von der Sporthalle zog ich mich schon um. Warme Kleidung und auch jetzt schon mal meine Gore-Tex Jacke. Danach fing ich an, zügig zu gehen um mich wieder in Schwung zu bringen. Erst gab's ein paar km flach zu bewaltigen, duch ein fotogenes Dörfchen, an einem großen Bach entlang und entlang ein Stück Hauptstraße. Weit vor mir sah ich ein paar Läufer. Die zogen mich an wie ein Magnet. Ich nam mich vor, auf die aufzulaufen. Nach noch keine 10 Minuten hat das geklappt. Ich grüßte. Es waren Italiäner. Da war Unterhaltung recht schwierig. Also suchte ich die Flucht nach Vorne. Bald war dann der große Anstieg zu Rifugio Alpenzu erreicht.

Hier fing der 5. Sektor wirklich an. Der Anstieg ist sehr steil über einen breiten Waldweg. Letztes Jahr habe ich hier geflucht und mich mit jede Spinne und Ameise unterhalten. Da war ich fertig. Diesmal nicht. Es war noch hell und ich guter Dinge. Stramm gehen war dennoch nicht möglich. Es war einfach zu steil. Dennoch schaffte ich es gerade vor dem Dunkelwerden noch bei dem Rifugio Alpenzu anzukommen. Dort war ich nicht länger als 2 Minuten. Etwas Cola und Chokolade gegessen und schon wieder heraus. Ich wollte bloß weg von hier. Das Rifugio ist wunderschön aber ich habe letztes Jahr hier aufgegeben und daran wollte ich auf dem Moment so wenig wie möglich erinnert werden. Es kam ein Alm die immer steiler wurde. Ich wurde überholt von 2 Läufer. Sonst war ich wieder völlig alleine. es wurde ziemlich kalt und ungemütlich windig. Der Anstieg nach Col Pinter dauerte nach mein Gefühl ewig. Ich habe nicht links oder rechts geschaut. Es war sowieso dunkel aber ich wollte meinen Kopf nicht bewegen um so den Wind zu vermeiden. Starr nach meinem Mantra: "linker Fuß, rechter Fuß, linker Fuß, ..." stiefelte ich hoch. Es war sehr unangenehm. Irgendwann war ich oben. Vor mir und hinter mir kein Mensch zu sehen. Der Wind war zu stramm um hier auch nur eine Sekunde länger zu bleiben. Überall war Reif zu sehen. Anfänglich gings einigermaßen gut bergab. Es war glatt und ich mußte höllisch aufpassen um nicht auszurutschen. Dann wurde es richtig unwegsam. Sogar Seilen und irgendwelche Steilwände ware zu überwinden. Innerlich fluchte ich aber blieb konzentriert. Nach 20 Minuten wurde es dann wieder laufbar. Es wurde sogar immer besser. Ich fing an zu joggen, ja sogar richtig zu laufen. Bergab ist das für mich immer die Himmel auf Erde. Ich merkte die Kälte schon nicht mehr. Die Strecke führte duch halbhohes Gestrüpp aber niemals war es noch schwierig.

Bald kam ich bei ein paar Häuser. Die Strecke ging scharf links. Dann eine Verpflegung. "Bin ich schon da?", dachte ich. Nein, das war keine offizielle Verpflegung, sondern ein Wirt der es sehr gut mit den Teilnehmern gemeint hat. Hier war ein fürstliches Büffet aufgetischt. Ich habe eine Ministronesuppe und Kartoffelchen mit Spinat gegessen. Alles in schnelldurchgang. Nachdem ich mich vergewissert hatte, daß es wirklich kostenlos war, bedankte ich mich überschwenglich. Ich mußte weiter. Die Uhr tickt. Es dauerte nicht lange und ich kam an die offizielle Verpflegung "Rifugio Crest". Hier bin ich schätzungsweise 2 Minuten geblieben. Etwas ratlos stand ich beim Büffet. Ich beschoß, sofort weiter zu laufen: raus und weg hier. Kein Hunger oder durst. Was danach kam fand ich irgendwie ganz einfach. Es ging immer die Höhenlinien entlang und der Weg war richtig breit. Kein Asphalt aber ein riesen breiten staubigen Sandweg. Das ging ein gefühlte Ewigkeit weiter. Immer wieder konnte ich Abschnittsweise joggen. Richtig laufen fiel mir schwer. Es ging auch nicht mehr bergab. Auf einmal ging's links herunter. Aus war es mit der einfache Strecke. Was jetzt kam habe ich ganz übel in Erinnerung. Steil bergab über einen schmalen Pfad, bedeckt mit übele steine und Felsen. Es war hier nicht mehr im Hochgebirge, sondern wir waren auf etwa 1700 m Höhe. Ich war ein Bisschen angepisst, daß die Streckenführung hier so schwierig war. Der Abschnitt war auch nicht kurz. Sie verlief bis in Saint Jacques, die nächste Verpflegungsstelle. Das befand sich in ein Eckhaus. Irgendwie fühlte ich mich hier nicht wohl. Alles hier kam mir unorganisiert vor. Die Toiletten waren im Obergeschoß und richtige Auskunft über das Wetter bekam ich hier nicht. Keine 10 Minuten war ich hier. Nichts wie weg.


Vom nächsten Abschnitt habe ich wenig Erinnerungen. Es war dunkel, nicht unbedingt schwierig, eher langweilig. Ich war müde und die Kälte war sehr unangenehm. Andere Teilnehmer habe ich nicht gesehen. Irgendwann ging es dann steiler und steiler hoch. Mir war auf diesen Moment überhaupt nicht klar wie die Strecke verlaufen sollte. Es ging hoch, immer weiter hoch. Es war bitter kalt und der Wind kam leider direkt ins Gesicht. Jemand überholte mich und ich konnte nicht so richtig folgen. Ich reiste mich zusammen und versuchte auf 30 Meter Abstand an ihn heranzubleiben. Nur stramm hochdrücken und nicht nachlassen. Irgendwann kamen wir dann am Rifugio Grand Tournalin an. Mann war ich froh, in die warme Räume vom Rifugio zu sein. Ich wollte schnell was Warmes trinken und essen um so schnell wie möglich die letzetn Höhenmeter zum Col di Nannaz in Anfgriff nemen zu können und schnell herunter in wärmere Gegenden zu kommen. Damit wurde nichts. Hier erzählte man mir, daß das Rennen neutralisiert wurde. Etwas unglaublich schauend ließ ich mir das erklären. Das Rennen war still gelegt, bis das Wetter sich bessert. Er schlug vor, oben zu schlafen. Morgenfrüh, so schätzte er, wurde das Rennen wahrscheinlich fortgesetzt. Ich folgte sein Rat und bekam ein richtig gutes Bed im Obergeschoß. Es war etwa 05:00 Uhr nachts. Er versprach uns eine halbe Stunde vor dem Neustart zu wecken. Das tat er dann auch. Um 08:30 Uhr konnte ich recht munter aufstehen. Was für ein Luxus.

Nach ein gutes Frühstück starteten wir pünktlich um 09:00 Uhr. Prompt rutschte jemand vor mir aus auf eine Eisplatte. Ich half ihn aufzustehen. Der einzige Dank war ein Haufen Gefluche. Dann kümmerte ich mich um ein zügiges vorankommen. Wir waren geschätzte 40 Teilnehmer da oben. Bald war ich in dieser Gruppe ganz weit vorne. Ich meine, ich war 3. auf Col di Nannaz. Ab da ließ sich die gesamte Strecke herunter nach Valtounenche an einem Stück durch schnell laufen. Das habe ich dann auch gemacht, als mußte ich 5 Stunden gut machen. Niemand vor oder hinter mir. Unten kam ich dann auch ganz alleine in der Base-Vita in Valtounenche an. Es war 11:00 Uhr und damit hätte ich, trotz Pflichtpause, ein Vorsprung von 10 Stunden auf dem Cut-Off. Zusätzlich wurde uns 5 Stunden Gutschrift zugesprochen. Da der Cut-Off so mit 5 Stunden verlängert war, hatte ich sogar 15 Stunden Vorsprung. Damit hatte ich kein Bedenken mehr: ich werde das Ziel rechtzeitig erreichen. Im Zelt vom Base-Vita sah es sehr verlassen aus. Kein Wunder: fast alle die hier vor mir waren, sind vor 2 Stunden hier weggerannt. Hier traf ich auf Jürgen. Er ist hier wegen Knieprobleme aus dem Rennen gestiegen. Das tat mir Leid und ich mußte an meine Aufgabe letztes Jahr denken. Keine schöne Sache. Ich hatte jetzt Zeit in Überfluß. Deswegen ließ mir nach einer Dusche eine Massage geben. Schlafen mußte ich nicht. Das hatte ich schon in Rifugio Grand Tournalin getan. Nach 2 Stunden und recht gut erholt war ich wieder auf der Strecke.


Tor des Geants 6. Teil Valtournenche – Ollomont 44 km 2702 hm

Von der Base-Vita aus wurde ich erst mal begleitet von einer Helferin. Die Zeigte mir den Weg. Irgendwie war es auch undeutlich. Es gab keine Fähnchen. Erst nach dem Platz wo das Zelt stand war etwas auf dem Boden gesprüht. Sie lief mit mir weiter weil ich irgendwie unschlüssig war. Nachdem wir über die Hauptstraße waren und bei ein kleiner Pfad angelandet waren und ich mit meinem GPS im Reinen war, bedankte ich mich herzlichst bei Ihr und fing an den Bergab-Pfad zu joggen. Das dauerte nicht lange und ich war wieder auf einen Asphaltweg hoch. Da wanderte ich wieder. Etwas vor mir waren andere Teilnehmer aber ich hatte noch nicht die Kraft und meinen Kopf auf Vordermann, daß ich auf die auflaufen wollte. Nach etwa einen km mußten wir auf einmal rechts ab zwischen ein paar Häuser durch. Da waren wir wieder auf einem Trail, weg von der bewohnte Welt. Ich konnte aber nicht so recht Tritt fassen und eierte so langsam hoch. Niemand vor und niemand hinter mir. Einsam und sogar etwas gelangweilt drückte ich mich hoch. Die 6. Etappe hat angefangen. Es ist einer der schwierigsten. Ich hatte aber noch nicht verinnerlicht, was auf mich zukommen würde. Erst mal weiter hoch bis zum Stausee bei refugio Barmasse. Auf dem Weg wurde ich überholt von einem Teilnehmer der keine Trailschuhe anhatte, sondern Crocks. Das sind Plastikschuhe ohne Ferse. Nach einer halbe Stunde kam er mir wieder entgegen. Ich fragte was los war. Er hatte wohl etwas verloren. Nochmal 10 Minuten Später kam er wieder mit seinen Crocks an mich vorbei gestiefelt. Es war Thierry Blondeau, Allzeitfinisher, und wußte genau was er machte. Ich konnte aber nicht dran bleiben. Die Sonne Schien und es war herrliches Wanderwetter. Ich machte mein Tempo. Bald nach dem Staudamm kam ich bei Refugio Barmasse.

Das Refugio kam mir klein vor. Die Leute waren sehr nett. Es gab einer schönen grünen Eckcouch. Darauf ließ ich mich nieder. Irgendwie lief es nicht optimal. Ich aß eine Banane und trank 2 Becher Cola. Nach erst 15 Minuten Pause war mein Kopf so weit, daß ich weiter gehen konnte. Noch immer hatte ich mich nicht verinnerlicht, daß ich mich auf dem schwierigen 6. Teilabschnitt befand. Nachdem ich wieder unterwegs war, gab's auf einmal eine Streckenänderung. Durch einen Erdrutsch mußte ich jetzt mehr links bleiben. Es gab einen neu geschlagenen Waldweg, der wieder auf die Originalstrecke führte. Diesen Abschnitt war merkwürdig. Eindeutig war dieses Stück künstlich kreiert. Es war gar kein Pfad, sondern ein Stück freigeräumter Wald. Bald war ich aber wieder laut GPS "on Track". Der nächste Pass "Fenetre d'Ersaz" war unscheinbar. Ab dort ging's weiter hoch, recht steil sogar. Ohne weitere Komplikationen kam ich bei Refugio Vareton. Dort war ich ganz einsam. Kein Teilnehmer weit und breit zu sehen. Nach 5 Minuten war ich wieder weg. Die Alm fand ich nicht gerade schön. Ab dort ging es einen Pfad an den Höhenemetern entlang. es ging nur langsam hoch und war gut laufbar. Ich bin nur stramm gewandert. Es wurde immer windiger. Dann kam ein etwas unübersichtlichers Stück. Viele Felsen und viel links/rechts, eine Art Irrgarten. Der Wind wurde recht unangenehm. Es kam mir jemand entgegen und ich fragte: wie lange noch bis zum nächsten Col? Er brabbelte etwas: "weiß ich nicht". Ich marschierte weiter. Der wind was so stramm und es wurde sehr kalt. Die Sonne stand tief. Ich beschloß warme Sachen anzuziehen. Das war nicht leicht. Der Wind war unglaublich stark. Noch in der späten Abendsonne kam ich oben am Fenetre du Tsan an. Die Dämmerung kündigte sich an und ich wollte noch unbedingt vor dem Dunkeln bei Bivaccio Reboulaz sein. Ich schaute herunter und sah da jemand ziemlich holperich den Berg herunterlaufen. Bald wußte ich warum: hier war es steil, ungemütlich steil. Nach einer knappe halbe Stunde kam dann endlich der Gegenanstieg nach Bivaccio Reboulaz. Genau gleichzeitig mit der Person vor mir kam ich dort an. Es war eine Frau und sie war etwa bestimmt 60 Jahre alt. Respekt. Gemeinsam futterten wir das Angebotene im kleinen und geselligen Bivaccio. Nach kaum 10 Minuten bin ich aber schon weiter. Noch war es nicht ganz dunkel. Kühe säumten die Strecke am Bergsee. Bald war ich wieder alleine mit mir und die Welt.

Der Abschnitt, der jetzt folgte hatte es in sich. Die kommenden 25 km waren komplett oberhalb von 2000 m. In der Nacht gab es vier Cols zu bewältigen. Mittlerweile fühlte ich mich wieder sehr müde. Richtig viel erinnere ich mich nicht, nur den steilen Hang links von mir sah bedrohlich aus. Vor lauter Angst lief ich teilweise ganz vorsichtig mit meinem Oberkörper Richtung Berg gekrümmt. Tagsüber dürfte diesen Abschnitt bestimmt nicht schwierig sein aber im Dunkeln und auch noch müde macht einem dann doch sehr vorsichtig. Fast unauffällig passierte ich Col Terray. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich bei Rifugio Cuney an. Die Verpflegung war in einem Zelt vor dem Rifugio. Ich fragte, ob ich hier irgendwo schlafen könnte. Nach was gegessen und getrunken zu haben, bekam ich ein Bett im Nebengebäude. Mit mir kamen etwa noch 6 andern mit zum Schlafen. Wir suchten uns ein Plätzchen im eiskalten Schlafraum das bestand aus ein Riesenstapelbett für geschätzten 2 x 6 Personen. Nach etwa 1,5 Stunde klingelte mein Wecker vom GPS-Gerät. Ich musste trotz Kälte doch eine Stunde geschlafen haben. Im Vorraum machten wir uns fertig und heizten uns an einen kleinen Kachelofen. Draußen im Verpflegungszelt trank ich noch ein Bouillon und 2 Cola und hoch ging es hoch zum Col Chaleby. Die paar 100 Höhemetern waren einfach und damit schnell absolviert. Bald verfiel ich vor lauter Müdigkeit wieder in ganz langsames Gehen.

Wieder eine gefühlte Ewigkeit kam ich dann an bei Bivaccio Rosaire-Clermont. Ich wollte wieder schlafen aber hier waren nur etwa 8 Betten und um den einzigen Tisch saßen gut 10 Teilnehmer. Im Stehen bekam ich einen Teller Bratkartoffeln. Sofort nachdem ich die verspeist hatte, bin ich wieder weiter gegangen. Draußen war es kalt und mir war nicht nach laufen zur Mute. Jetzt kam der letzte Col für heutenacht. Vom Bivaccio bis zur Col Vessonaz ist es noch recht leicht aber dann von dort oben herunter ist ein wahrer Alptraum. Die Strecke ist steil, rutschig und meiner Meinung nach auch gefährlich. Wer hier kein vernünftiges Profil unter seine Schuhe hat, wird kaum heile herunterkommen können. Vorsichtig rutschte ich über die steinigen, staubigen und steilen Pfade herunter. Nach einer Viertelstunde schaute ich hoch und konnte in der anfangende Morgendämmerung ein paar Stirnlämpchen oben hinter mir erkennen. Ich mußte mal für Große Jungs und setzte mich hinter einen Riesenfelsen, machte mein Geschäft und wartete bis meine Verfolger vorbei waren. Ich wollte hier in den steilen Abhang kein Druck verspüren. Bald wurde es dann wieder laufbar und konnte sogar herunter joggen bis ein Wegweiser kam aber kein gelbes TDG-Fähnchen weit und breit. Man konnte hier rechts oder links. Mein Gefühl sagte mir „links“ aber mein GPS sagte „rechts“. Ich folgte die Anweisung meines GPS und lief rechts. Nach ein Sumpfiges Stück an eine Almhütte hatte ich immer noch kein gelbes Fähnchen gesehen und wurde unsicher. Deswegen lief ich zurück zum Wegweiser aber nirgendwo war ein Fähnchen zu erkennen. Also lief ich wieder zur Almhütte wo ich auf die verunsicherten Läufer traf, die mich vorhin noch überholt hatten. Sie fragten mich, ob wir hier richtig sind. Ich sagte: „we are on Track“ und zeigte mein GPS-Gerät. Sie liefen also wieder dahin wo sie herkamen. Ich war nach wie vor verunsichert, zeigte der Track doch, daß es nach der Hütte erst mal rechts ab geht. Ich suchte verzweifelt nach ein Bestätigungsfähnchen um nach ein paar Minuten aufzugeben und auch links herunter ging. Nach ein paar Minuten kam dann das ersehnte Fähnchen. Ab hier war der Weg durch den Wald eher leicht aber die Strecke zog sich ewig. Ich holte sogar die Gruppe vor mir wieder ein. Es ging noch lange bergab. Bald musste doch die nächste Verpflegung komme, dachte ich. Pustekuchen. Erst mal kam nach einer Bachüberquerung ein ganz schrecklicher Gegenanstieg. Teilweise musste man sich an Äste hochhängeln. Das war fies. Endlich kam ich dann in der Verpflegung in Closé an.

Die Verpflegung kam mir vor wie eine Base-Vita. Groß und geräumig. Betrieb an einer Bar Theke, Leute die Pizza aßen und jede Menge Feldbetten um zu schlafen. Ich beschloß eine Runde zu schlafen. Nach 1,5 Stunde wurde ich freundlicherweise geweckt und beim Frühstück erfuhr ich, dass die Strecke für mich nur bis Saint Rhemy-en-Bosses führen würde. Wetterbedingt dürfte hatte die Organisation der letzte Berg „Col Malatra“ herausgenommen. Natürlich war ich enttäuscht, denn ich nahm Teil um die gesamte Strecke zu laufen und in Courmayeur einzulaufen. Schade, jetzt dürfte ich „nur“ 304 km und „nur“ 22500 hm laufen. Ganz stressfrei begab ich mich auf der Strecke. Mich konnte eigentlich nichts mehr passieren. Noch 2 Berge und ich wäre da. Ich hatte 10 oder sogar 15 Stunden Vorsprung auf dem Cut-Off. Da bräuchte ich mich nicht zu beeilen. Der nächste Berg,. Col Brison, hatte ich mit meiner Freundin eine Woche zu Vor erkundet. Gemütlich bin ich dort hochgewandert. Auf der Alm wo vor ein paar Wochen noch jede Menge Kühe waren, war jetzt die Verpflegung. Ich zog mein Rucksack aus und setzte mich hin. In der wunderschone Morgensonne genoss ich die Aussicht und unterhielt mich mit den Freiwilligern dort. Immer wieder kamen Läufer vorbei aber ich war ab jetzt in Urlaub. Sehr nett war die Geste von den Freiwilligen, mir ein Stück vom Kuchen zu schenken die gerade ein Freiwilliger vom Tal hochgetragen hat und eigentlich nur für den gedacht war. Dazu noch ein Kaffee und die Pause war perfekt. Nach eine gute halbe Stunde wanderte ich wieder weiter. Jetzt wurde es steiler aber nie echt schwierig. Die letzte 12 Spitzkehren vor dem Col sind sehr steil. Danach gab’s eine wunderbare Aussicht mit am Horizont der Mont-Blanc. Ich spielte mit einem Hund dort. Immer wieder forderte er mich auf, das Stöckchen wegzuschmeißen. Ich war in Urlaub und fühlte mich richtig glücklich. Vom Col Brison herunter ist es erst mal sehr steil. Letzte Woche im Regen war es sehr glatt, heute nicht. Bald ließ es sich wieder richtig laufen. Am Alm Bario Damon vorbei, dann eine Verpflegung die ich einfach vorbeirannte, dann jede Menge Spitzkehren auf ein „4x4 Dirt-Track“ herunter. Hier habe ich bestimmt wieder 5 Läufer überholt. Das letzte Stück zur Base-Vita verlief etwa 2 km über eine Asphaltstraße. In der Mittagshitze um 13:30 Uhr kam ich dort an, immer noch gut 10 Stunden Vorsprung auf dem Cut-Off. Ich sage Euch: der 6. Sektor hatte es in sich. Sie ist genau so schwierig wie der 4. Sektor. Dazu kommt noch, daß man hier schon viel müder ist.


Tor des Geants 7. Teil Ollomont – Courmayeur 48 km 2880 hm

Auch wenn ich ein paar Stunden auf der 6. Sektor eingebüßt hatte, kam bei mir kein Panik auf. Die 10 Stunden Vorsprung auf dem Cut-Off haben mich von Wettkampfmodus auf Urlaubmodus umgestellt. Ich wußte mittlerweile, daß ich das Ding finishen würde. Urlaub hatte ich gesagt, also erst mal duschen. Der Base-Vita in Ollomont gefiel mir. Im Restaurant konnte man sich satt essen, draußen waren Kabinenduschen und vor dem Restaurant war ein großes Zelt mit Sanitäter und Feldbetten. Das einzige was ein Bißchen merkwürdig war, daß man sein Stecknadel für diese Etappe nicht sofort bekam. Ich hatte die Prozedur nicht ganz begriffen. Nachdem ich auf nachfragen von hot nach her gestiefelt war, bekam ich dann endlich mein 6. Stecknadel. Danach setzte ich mich am Tisch und traf auf Anke Drescher und Georg Weiß. Gemütlich haben wir dort das Mittagessen genossen. Leider gab es auch hier wieder nudeln mit oder ohne rote Soße. Ich verfeinerte das noch mit einer Dose Thunfisch und 2 hartgekochte Eier. Ein Yoghurt als Nachtisch und weil es Urlaub war, noch ein zweites Bier. Da es sehr warm war, wollte ich nicht sofort weiter. Ich hatte Quasi noch etwa 20 Stunden für den letzten Berg. Deswegen ließ ich mein Rechterfuß von einer Sanitäterin inspizieren. Der 2. Zeh tat mir weh. Sie entdeckte, daß ein spitzes Stückchen Fußnagel ins Fleisch drückte. Nachdem sie diese eine oder andere Millimeter abgeschnitten und die kleine Blase die dort entstanden war fachkundig versorgt hatte, war ich wieder schmerzfrei. Ich legte mich auf ein Feldbett und packte schon mal zusammen um nach dem Mittagsnickerchen sofort loslaufen zu können. Ich konnte nicht so recht einschlafen. Nach etwa 1,5 Stunden hin- und herwühlen bin ich aufgestanden. Ich sah, daß die Anke schon weg war. Rasch machte ich mich fertig und ging sie hinterher.

Es war 16:30 Uhr und immer noch recht warm. "Langsam in Schwung kommen", dachte ich und marschierte in kontrolliertem Tempo Richtung Wald. Nach einer Weile überholte mich ein Japaner. Ich blieb auf etwa 30 Meter Distanz an ihn dran. Die Hitze war erträglich und ich wollte mich schon mal während des Laufens fertig für den Abend, bzw. Nacht machen. Ich suchte meine Stirnlampe. Panik! Wo ist meine Stirnlampe? Ich hatte doch alles neben mein Feldbett bereit gelegt. Da war die Stirnlame auch dabei, da bin ich mir sicher. Ich hielt an und überprüfte eilig die verschiedenen Taschen meines Rucksacks. Die Stirnlampe war weg. Jetzt bekam ich erst recht Panik. Bestimmt werde ich das Ziel nicht mehr im Hellen erreichen, also brauche ich Licht. Meine Reserve-Stirnlampe war ein ganz kleines Notlicht. Ich zweifelte, ob ich damit im Dunkeln richtig laufen könnte. Ich ärgerte mich über so viel Nachlässigkeit. Nächstes Mal kommt eine bessere Zweitlampe mit. Dann fing ich an zu rechnen. Zum Gipfel käme ich noch im Hellen aber ab wo bräuchte ich eine Stirnlampe? Reicht es noch ohne Stirnlampe bis hinunter im Tal? Dann beschloß ich wieder von Urlaubsmodus in Wettkampfmodus umzuschalten: "jede Meter die ich vor dem Dunkeln laufen kann, ist mir vom Vorteil". Ich rannte wie von einer Tarantel gestochen los und staunte über meine verbliebene Kraft. Schnell war der Japaner überholt. Danach war eine Zeit lang nichts aber ich hielt so richtig das Tempo hoch. Mein Herz raste und immer mußte ich wieder an den verlorenen Stirnlampe denken. Aus dem Wald heraus sah ich eine Gruppe von 4 oder 5 Läufern. Es dauerte nicht lang und ich lief auch die Truppe vorbei. Laufen ist vielleicht zu viel gesagt. Es war durchaus steil und dadurch war nur ein strammes Gehen möglich. Die Sonne stand schon sehr tief und schien mich genau ins Gesicht. Ich stiefelte weiter und überholte noch der ein oder andrer. Irgendwann kam ich dann bei Refugio Champillon an. Schnell ging ich 'rein und aß was vom Büffet: Tuc, Salami, Banane, Cola usw. Ich kam ins Gespräch mit 2 Deutschen die sich das Treiben mit Fragezeichen auf die Stirn anschauten. Ich erklärte den Beiden warum es hier ging. Ziemlich fassungslos starten die Beiden mich an. Ich entschuldigte mich freundlich mit einem "Sorry, ich muß weiter" und verschwand wieder aus dem Refugio.

Die Sonne war noch nicht unten als ich etwa eine halbe Stunde später oben am Col Champillon (2709 m) war. Hier warfen einige Wellen in der Landschaft schon lange Schatten und der Wind war recht ungemütlich. Ich blieb keine Sekunde oben und rannte sofort herunter. Der Pfad war anfänglich recht steil, ließ sich aber gut laufen. Nach gut 10 Minuten herunterlaufen schaltete ich den Turbo ein. Ich dachte mal wieder an meine Stirnlampe und wollte vor dem Dunkeln unten sein. Der Wind blies genau in meinem Gesicht. Ohne meine Sonnebrille wäre hier schnell laufen kaum möglich gewesen. Die Brille schützte mich gegen den Wind. Recht flott kam ich dann an der Baumgrenze. Jetzt dämmerte es und langsam wurde es ungemütlich dunkel. Das Tempo war nach wie vor hoch. Viele Leute habe ich hier dennoch nicht überholt. Nahezu im Dunkeln kam ich dann unten in Ponteilles an. Genau auf dem Moment lief ich auf ein paar Franzosen auf. Hier war eine Verpflegung aufgebaut. Es gab Musik vom Akkordeon und Spanferkel mit Polenta und Wein dazu. Wir unterhielten uns bei ein paar leckeren Snacks. Ich erzählte von meinem Mißgeschick und meine mini Zweitlampe. Es bot mich an, seine (Petzl Tikka Plus) Zweitlampe zu tauschen für meine Minilampe. Ich nahm das Angebot dankend an. Das Ziel ist etwa 10 km weiter. Wir werden uns wohl dort treffen und würden die Lampen dann zurücktauschen. Ich war erst mal beruhigt und setzte mich dort am Tisch. Die Truppe ging weiter und ich nahm mir noch ein Becher Wein. Ich bekam sogar ein Teller mit ein Stück Spanferkel und fühlte mich wieder in Urlaub. Gemütlich unterhielt ich mich mit den Leuten dort, trank noch ein Wein und lauschte die Akkordeonmusik. Immer wieder kamen Teilnehmer vorbei. Kaum einer kam auch auf die Idee, hier auch mal Urlaub zu machen. Nach etwa 3/4 Stunde meinte ich das letzte Stück noch machen zu müssen. Ich informierte mich über das Streckenprofil und bekam als Antwort: "nur noch 10 km flach nach St. Rhemy".

Ich machte mich auf dem Weg und nach gut 1 km ging es dann stramm hoch. "Aha, so flach ist das hier - das habe ich mir denken können". Es gab ein paar Spitzkehren auf einen breiten Waldweg". Etwa 300 Meter hinter mir waren 2 Stirnlämpchen zu sehen. Ich nahm mir vor, mich nicht mehr überholen zu lassen, ein ziemlich dämliche Gedanke aber dennoch hatte ich sie. Es wurde bald flacher und ich fing an zu laufen. Es kamen lange geraden und hin und wieder schaute ich um. Die beiden Stirnlämpchen ließen nicht locker. Ich erhöhte das Tempo. Nach einer Weile meinte ich sie los zu sein und drosselte das recht hohe Tempo. Ich schätzte es auf ein 6:30er Schnitt. Nach 5 Minuten sah ich die Stirnlämpchen wieder hinter mir. "Mist!", dachte ich und erhöhte das Tempo wieder. Ich war zwar müde, hatte 2 Wein intus aber war dennoch ehrgeizig. Das Tempo blieb hoch. Immer noch waren die beiden Lämpchen hinter mich her. "Ich darf nicht locker lassen." Es ist mir immer noch rätselhaft, wie ich nach 300 km immer noch ein 6:30er Schnitt laufen konnte. Die Strecke war jetzt wirklich flach und gut zu laufen. Bald waren dann auch die Lichter von St. Rhemy zu sehen. "Nur noch ein Stückchen bergab", dachte ich. Natürlich nicht. Erst mußte noch eine Schleife nach rechts gelaufen werden. Dann kamen Häuser. Ein paar Abendspazierer klatschen und ich grüßte mit einem stolzen Gefühl zurück. Es ging aber weiter, ein Linkskurve und wieder war ich auf einem Feldweg. Wie lange dauert das noch. Bestimmt werde ich bald von den beiden Stirnlämpchen überholt. Deswegen erhöhte ich das Tempo noch einmal. Wieder kamen Häuser. Dieses Mal war es dann doch endgültig St. Rhemy. Ich lief durch irgendwelche Gassen und wurde mehr und mehr von irgendwelchen Zuschauern zugeklatscht. Leicht drosselte ich das tempo, sah ich doch kein Lämpchen hinter mir. Noch einmal ein Bißchen Zick-Zack und ich war auf der Zielgerade. Hier war durchaus eine Menge los, obwohl es nicht das Originalziel in Courmayeur war. Ich wurde sogar begleitet von ein paar Damen in Tracht. Direkt nach dem Zielbogen torkelte ich ein Wenig und wurde empfangen vom Tourismus-Minister des Aostatals. Ich bedankte mich herzlichst bei ihn und fing an zu weinen, hieß meine Hände hoch und drehte mich zu alle Zuschauer. Mann, war ich glücklich.

Man dirigierte mich zur Zeitnahme und ließen mich mein Namen auf ein Plakat schreiben. Dann bekam ich ein Bier und erinnerte mich wieder an meinen Urlaub. Ich stand ein Bißchen dort herum und traf auf den Franzosen der mir die Lampe geliehen hat. Wir gratulieren uns gegenseitig und tauschen die Lampen wieder zurück. Ich dankte ihn fast überschwenglich. Ich empfand auf dem Moment alles als traumhaft. Ich schaute das Treiben im Zielbereich ein Bißchen verträumt an und fühlte mich richtig stolz. Ich spürte keine Müdigkeit und nahm ein zweites Bier. Dann merkte ich, daß eigentlich noch niemand nach mir ins Ziel gelaufen war obwohl ich doch schon gut 10 Minuten da war. Es dauerte fast 20 Minuten bis der Nächste im Ziel kam. Er war alleine, keine 2 Stirnlämpchen also. Ich weiß bis jetzt nicht, was ich dann die ganze Zeit hinter mir gesehen habe. Wahrscheinlich waren es Halluzinationen. Bald war dann der Transporter da, der uns etwa 8 Finisher nach Courmayeur zurück bringen würde. Der Weg dahin dauerte über eine Stunde. Gut daß ich und ein andere Franzose 2 Bier mitgenommen hatten. Außer wir beiden, sprach niemand. Vielleicht waren die anderen zu müde? Knapp nach Mitternacht kamen wir in Courmayeur an und konnten in der Sporthalle in Dolonne übernachten.

Ja, es gibt noch ein Epilog, ... bald!

Ach ja, meine "verlorene" Stirnlampe habe ich gefunden ... und zwar zuhause ... in meinem Rucksack, allerdings in einer Tasche wo ich sie normalerweise nicht verstaue. Vielleicht hat das doch was mit Erschöpfung zu tun.



Alessandra Nicoletti (Race Director): "Der Tor des Geants ist ein fantastisches Abenteuer, eine Reise voller Emotionen, Begegnungen und Aufwand." Ich glaube, er trifft es auf dem Punkt. Meine Empfehlung an Euch: mach’s nie! Denke erst gar nicht daran! Suchtgefahr!

Chris Marolf: "I felt privileged to be alive, privileged to be able to experience this magnificent landscape in the most human manner possible: by running freely from one horizon to the next, again and again, for days and nights on end. "

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