Tor des Géants 2011

11. bis 17. September 2011 (330 km, 24000 hm)

Keiner wandert hier freiwillig

Etwas über den TdG zu erzählen fällt mir nicht schwer. Dazu gibt es einfach zu viele Eindrücke. Ich fange einfach mal an und versuche mal nicht zu sehr auszuschweifen.

Im Vorfeld hatten wir eine Vierer-Fahrgemeinschaft vereinbart. Thomas, Thomas, Uwe und ich fuhren am Freitag vor dem Rennen nach Courmayeur. Auf einem Autobahnrastplatz kurz vor der Schweizer Grenze treffen wir völlig unerwartet auf Gerhard, ein TdG-Finisher von 2010. Was für ein Zufall. Er war auf dem Weg zu einem Ultra-Trail in Frankreich und wünschte uns alle viel Erfolg.

In unserem Verbleib - Rifugio Monte Bianco auf 1700 üM., 5 km von Courmayeur - angekommen richteten wir uns erst mal gemütlich ein und fielen nach einem Bierchen sofort in die Heia. Samstag stand im Zeichen der Startunterlagen abholen. In Courmayeur wurde eifrig an dem Startaufbau gearbeitet. Wir gingen einkaufen und dösten im Park herum. Ab 14:00 bekamen wir dann unsere Startunterlagen (Tasche, Buff und Startnummern) und wurden mit einem Armband "gechipped". Zurück im Refugio begann ein seltenes Ritual. Wegen des schönen Wetters holten wir alle Sachen auf der Terrasse herunter und packten gemeinsam unsere Wettkampftaschen. Diese Tasche sollte Wechselkleidung, Reserve-Riegel, Schuhe und sonst noch benötigtes Zeug enthalten. Diese Taschen standen uns dann auf jede "Base-Vita" zur Verfügung.

Das Rennen bestand aus 332 km und 24.000 hm, verteilt auf 7 Sektoren. Damit hatten wir also 6 "Base-Vitas" und würden die Tasche unterwegs 6 Mal sehen. Der Sollzeit für die ganze Strecke war 150 Stunden, also 6 Tage und 6 Stunden. Weil es 7 Sektoren in 6 Tage zu bewältigen gab, konnte man kein Etappenrennen daraus machen. Schlafen war also richtig einzuplanen.

Samstag noch mal ordentlich gefuttert und wieder früh ins Bett, damit man auch gut ausgeruht an den Start kam. Sonntags um 09:00 Uhr waren wir schon im Startbereich um bloß nichts zu verpassen. Es wurde gelacht, fotografiert, telefoniert und jeder war die Anspannung anzumerken. Der TdG ist immerhin der längste Non-Stop-Trail der Welt, wenn auch ich solche Superlative innerlich relativiere. Es gibt genügend längere oder härtere Wettkämpfe.


Um 10:00 Uhr wurde auf von 10 auf 0 zurückgezählt und danach wurden etwa 470 Teilnehmer bei strahlenden Sonnenschein losgelassen. Erst gab es mal geschätzte 2 km auf Asphalt zu laufen. Bald gingen diese dann auch schon Bergauf. Nach einer Viertelstunde ging es auf ein schmales Pfädchen weiter. Natürlich entstand da kurz ein Stau aber es ging sehr gesittet zu. Das Rennen dauert noch lange genug. Der 1. Berg oder besser gesagt "Col" hieß Col d'Arp (2571) und war gleich schon eine lange Anstieg. Mit angezogener Handbremse drückte ich mich hoch. Die andere drei von unserer Fahrgemeinschaft waren vor mir. Nach etwa 2,5 Stunden kam ich oben an und fing sofort mit dem Abstieg an. Diese gestalte sich als recht gut "laufbar". In die Entfernung konnte man den gigantischen Rutor-Gletscher erkennen. Das war unser nächstes Ziel.

Unten nach etwa 4 Stunden als 413. in La Thuile (1435) angekommen merkte ich die Hitze wieder. Schnell mein Wasservorrat auffüllen, ein paar Kekse, Salami und Käse in den Hals gesteckt, 2 Becher Cola hinterher und sofort war ich wieder auf der Strecke. Hier hab es wieder ein Stück Asphalt aber die wenigsten liefen. Ich trottete weiter bis es wieder zu steil wurde. Hochdrücken war wieder angesagt. Erst ging's durch den Wald an schöne Wasserfälle vorbei. Nach der Baumgrenze würde der Pfad steiler und etwas unwegsamer aber immer noch recht gut begehbar. Ich kannte dieses Stück nach Refuge Deffeyes vom letztjahrigen Petite Trotte a Leon. Beim Refuge angekommen habe ich lediglich ein Bisschen Wasser nachgefüllt. Ich habe eine Startnummer auf der Brust, also sind alle andere "Gegner" :-) Weiter ging's zum Passo Alto (2857). Anfänglich war es noch gut begehbar aber bald mussten wir einige Geröll-Passagen bewältigen. Hier kommt man nicht mehr so schnell voran. Mittlerweile war die Sonne verschwunden und die Wolken versprachen nichts Gutes. Oben angekommen bin ich sofort wieder herunter. Keine Zeit um herum zu schauen.


Unten bei der Verpflegung in Promoud (2022) bekam ich eine Ministronesuppe. Nach 10 Minuten war ich wieder auf der Piste. Ein böser Anstieg nach Col Crosatie (2838) stand an. Von den Beschreibungen im Vorfeld wusste ich von einigen gesicherten Kletterpassagen. In der Dämmerung drückte ich mich den steilen Anstieg hoch. Es hat angefangen zu regnen also habe ich schnell meine Regenjacke angezogen. Gore-Tex ist hier absolut zu empfehlen. Es war dunkel geworden und die Stirnlämpchen wurden überall am Hang ausgepackt. Ich sah zurück und konnte eine ganze Lichterkette nach unten sehen. Sogar sah ich noch einige Lichter auf dem vorherigen Abstieg. Jetzt kam die gruselige Passage. Ein blaues Seil hing fest gekettet an der Wand. In das Licht meiner Stirnlampe sah ich ein begehbarer Streifen von etwa 15 cm breit. Links davon sah ich … nichts, rein gar nichts. Meine Lampe kann 180 m weit scheinen. Ich sah den Boden dort nicht. Dann ein Blitz und kurze Zeit darauf den Donner. Ich zuckte zusammen. Auch das noch. Vorsichtig fasste ich das Seil und in aller Ruhe bewältigte ich diesen gruseligen Abschnitt. So schlimm war es dann doch nicht. Direkt danach waren die Steine so gestapelt, daß eine Art Treppe nach oben fuhr. Das ging flott. Es regnete weiter und hin und wieder blitzte/donnerte es. Gott sei dank wurde die Zeit zwischen Donner und Blitz immer länger. Bald war ich oben. Hier wollte ich wieder mal nicht länger bleiben.

Der Abstieg war steil, sehr steil. Schnell verlor ich Höhe und kam auch gut voran. Hinter mir sah ich nur ganz oben ein paar Stirnlämpchen. Nach einer halbe Stunde war der Pfad wieder so gut, daß ich wieder joggen konnte. Ich lief im Dörfchen ein und dachte schon beim Base Vita an zu kommen. Leider hieß es hier "Planaval". Es gab eine Verpflegung aber ich mußte erst noch 5 km weiter joggen um in Valsigrensche, das Ende der 1. Sektor, anzukommen. Als 402. nach knapp 14 Stunden rennen war ich dann endlich am Base Vita angekommen. Sofort wurde meine Zeit genommen und bekam meine gelbe Tasche ausgehändigt. Ein Bisschen angenockt war ich dann doch schon, schläfrig war ich aber nicht. Erst mal was essen und trinken. Es gab Nudeln mit rote Soße mit einer Dose Thunfisch, Brot, Käse und Salami, ein paar Becher Cola dazu. Danach bin ich mit meine Sachen nach oben um ein Wenig Körperpflege zu betreiben. Im Nachhinein habe ich hier ein Bisschen viel Zeit verloren. Nach einer Guten Stunde war ich als 288. wieder auf der Piste. Vielleicht war das ein Fehler.

Nach den 49 km vom 1. Sektor, mussten diesmal 53 km bewaltigt werden. Der 2. Sektor von Valsigrensche nach Cogne bestand im Wesentlichen aus 3 Berge: drei mal hoch und drei Mal `runter. Erst der Col Fenetre (2840), dann Col Entrelor (3007) und als Letztes Col Loson (3296). Da zwischen immer wieder ins Tal zurück. Das kann ja heiter werden. Gott sei dank war gutes Wetter vorhergesagt. Erst mal nachts hoch zu Rifugio l'Epee wo ich Thomas und und Uwe traf die gerade weiter gehen wollten. Nach 15 Minuten Pause ging's weiter zum Gipfel. Da viele schliefen und die Schnelleren sowieso weit vor mir waren, würde es recht ruhig um mich herum. Irgendwie kann ich mich nicht mehr zu gut an den 1. Aufstieg erinnern. Oben angekommen weiß ich nur eins: ich schaute herunter und sah verschiedene Stirnlämpchen. Das schreckliche daran: sie waren wirklich senkrecht unter mir. Der Abstieg war dementsprechend. Im freien Fall gingen die Haarnadeln herunter. Haarsträubend! Nach etwa einem halbe Stunde konzentrierten freien Fall traute ich mich mal nach oben zu schauen. Eine wahre Pracht von Stirnlämpchen war zu sehen, an der Stelle wo man normalerweise Sterne erwartet. Das war richtig spektakulär.

Im Rhemes Notre Dame im Tal angekommen, war es schon wieder Hell geworden. Merkwürdigerweise hatte ich dort mit meiner 283. Platz wieder 5 Plätze gut gemacht obwohl ich doch öfter überholt wurde. Ich nehme mal an, daß sich einigen im Refugio l'Epee schlafen gelegt hatten. Nach kurzer Pause ging's unspektakulär weiter um den 2. Berg des Tages zu besteigen. Der Anstieg war eher moderat, zog sich aber ewig hin. Auf halber Höhe konnte man gut zurückschauen zum 1. Berg des "Tages". Kaum vor zu stellen, daß wir in die Rinne die man von hier aus gut sehen konnte, abgestiegen sind. Da 3000 m nicht einfach und schnell zu besteigen sind, dauerte den Anstieg auch ewig. Immer wieder nach einer Ecke sah man weitere Höhenmeter die man besteigen musste. Ich fühlte mich trotz nicht geschlafen zu haben noch recht gut. Oben am Col habe ich ein Foto gemacht und bin dann direkt wieder herunter. Noch war der Himmel leicht bedeckt. Heute waren 30 Grad vorhergesagt. Von Col Entrelor herunter ließ es sich überwiegend gut laufen, soweit man überhaupt laufen konnte. Knapp nach 12:00 Uhr kam ich als 303. in Eaux Rousses an. Das war sehr zufrieden stellend. "Nur" noch der letzte Berg vom 2. Sektor. Es lief alles nach Wunsch.

Wenn ein Berg von 3000 m lange dauert, dauert einen Berg von 3300 m noch länger (Eaux Rousses im Tal dazwischen liegt auf 1666 m). Ich stellte mich auf eine schwere Aufgabe ein. Es würde trotz zunehmender Höhe immer wärmer. Diesen Anstieg war nicht schwierig, sie dauerte nur ewig lang. Jedes Mal wenn ich dachte, gleich kann ich den Col sehen, wurde ich enttäuscht. Ein weiterer Buckel musste erst mal bestiegen werden. Zurückschauend war das ganze Ausmaß gut zu erkennen. Bis tief herunter waren Teilnehmer kraxelnd zu sehen. Auf etwa 3000 m Höhe erkannte ich Thomas auf einmal. Ich rief: "Hallo Thomas" und er drehte sich erschreckt um. Er war außer Atem und musste immer wieder pausieren. Mir ging's aber ähnlich. Ich konnte ihm motivieren, die letzte 300 hm etwas zügiger zu machen. Oben am Col Loson haben wir uns dann fotografiert. Auch bergab war es eher leicht. An ein paar "böse" Stellen kann ich mich trotzdem gut erinnnern. Vor Alle meine Felspartie im Wald der rein gar nicht vernünftig begehbar war. Ein Abstieg von 3300 bis 1532 m Höhe dauert auch eine kleine Ewigkeit. Es war schon dunkel als wir abends um 21:30 in Cogne ankamen. Wir waren 334. und 335. Der Cut-Off Zeit war erst um 06:00 am nächsten Tag. Mit 8:30 Stunden Vorsprung auf dem Cut-Off war alles im Lot.


Thomas wollte sich hinlegen aber ich fühlte mich munter. Deswegen beschloss ich lediglich was zu essen, zu dehnen und mein Rücksack auf zu füllen. Nach einer gute Stunde fing ich als 291. mit Sektor. 3 von Cogne nach Donnas an. Wenn ich mich müde fühlen würde, könnte ich immer noch ein paar Stündchen in Rifugio Sognio (2532) kurz vor den einzigen Gipfel (2826) in diesem Sektor schlafen.

Sektor 3 liest sich im Roadbook als recht leicht. Es gibt auf diese Strecke von 47 km im Wesentlichen nur einen Gipfel: Colle Fenetre di Champorcher (2826). Da der Startpunkt Cogne auf 1596 liegt, hält sich der Anstieg auch in Grenzen. Der "Abstieg" allerdings dürfte ewig dauen. Es geht nämlich nach Donnas, nur 330 m üNN. Der Anfang ist schon mal flach. An laufen denke ich momentan nicht. Mit 2 Anderen marschiere ich die gut 2 km stramm bis der Anstieg anfängt. Es ist 01:00 Uhr nachts und ich fühle mich nach knapp 40 Stunden immer noch wohl. Verhalten mache ich den ersten Anstieg und lasse die beiden Anderen ziehen. Die Strecke führt anfänglich steil unter 2 Riesenwasserröhre durch. Das sieht etwas surreal aus. Ich bleibe mal kurz stehen und schaue herunter. Auch wollte ich wissen, ob ich jetzt durch mein verzicht aufs Schlafen deutlich langsamer geworden bin. Hinter mir ist weit und breit kein Stirnlämpchen zu sehen. Nach 5 km war bei "Goiles" eine kleine Verpflegung eingerichtet. Hier nützte ich einen Stuhl um mein Linkerfuß zu begutachten. Irgendwie meinte ich da eine Blase zu laufen. Es war nichts zu sehen. Dennoch klebte ich ein Stück Tape auf meine Ferse. Nach 2 Becher Cola, ein paar Kekse und was Schokolade machte ich mich wieder auf dem Weg. Es hat mich immer noch niemand überholt.

Der Anstieg war angenehm. Mal durch den Wald, dann in ein Seitental teilweise durchs freie Feld und wieder Wald. Öfter hatte ich das Gefühl, falsch zu sein weil ich gottverlassen alleine unterwegs war. Die gelben Fähnchen mit den Reflektoren zeigten aber etwa alle 100 m überdeutlich, daß ich richtig war. Erst deutlich höher, als ich aus dem Seitental `rauskam, konnte ich tief unten in der Nähe von der Verpflegung ein paar Stirnlämpchen erkennen. Ich dachte: "das Könnte Thomas sein". Dann hat er aber schon mehr als eine Stunde Rückstand. Ich marschierte den moderaten Anstieg weiter. Mittlerweile war ich schon auf eine Art Hochebene angekommen. Links neben mir konnte ich Hochspannungsleitungen erkennen. Bald kam dann auch auf 2532 üNN Rifugio Sognio. Frisch platze ich herein und fand ein wirkliches Gourmet aufgetischt. Ich aß Kartoffelchen mit Rindfleisch. Als Nachspeise gab es Maronen mit Sahne. Was ein Genuss. Lange war ich aber nicht dort. Schnell füllte ich meinen Trinkrucksack und erledigte mein Bedürfnis auf eine saubere Toilette und ab ging die Post. Ich wollte noch vor Sonneaufgang oben am Col sein. Noch war's dunkel und sofort verlief ich mich. Jemand kam mir entgegen und ich verstand, daß auch er auf der Suche war nach irgendwelche gelbe Fähnchen. Da wir direkt über uns Stirnlämpchen sahen, kletterten wir senkrecht hoch. Nach 2 Minuten war das Problem gelöst. Am Col wurde es langsam hell. Tatsächlich sah es hier mit den Elektrizitätsmasten auf über 2800 hm ein wenig futuristisch aus.

Ab jetzt ging's laut Roadbook nur noch bergab bis Donnas. Das Roadbook ist das Eine, die Wahrheit eine Andere. Anfänglich, wie eigentlich immer nach einem Col, ging's erstmal steil `runter. Dann aber ab Stausee "Lac Miserin" war alles relativ gut laufbar, soweit man sich nicht störte an die viele Unebenheiten in der Form von spitze Steine. Ich gab Gas und überholte der ein oder andere, der mich beim Anstieg selbst überholt hat. Bei Rifugio Dondena (2192) ging's mir so gut, daß ich mich noch ein paar Späßchen mit dem Hund vor Ort erlaubte. Nach eine Fußkontrolle (keine Blasen) und ein Kaltes Fußbad lief ich mit 2 Amerikaner "um die Wette" den Berg herunter. Herrliche Alpenwiesen, Steile Naturtreppen, ein paar Gegenanstiege, Almhütten, ein Bergdörfchen und das ein oder andere Geröllfeld machten das Laufen zum besonderen Spaß. Der Weg war aber lang. Irgendwann habe ich das Laufen eingestellt. Schnell marschierte ich zum Verpflegungspunkt Chardonney (1450). Hier begegnete ich dem Belgier, der die ganze Strecke als GPS-Datei auf seiner Webseite zur Verfügung gestellt hatte und konnte ihm dafür jetzt persönlich bedanken. Es war 09:30 Uhr und ich war 287. Es lief nach 48 Stunden also immer noch gut.

Ab hier waren es noch 10 km nach Pontbosset. Danach sollten es noch mal 8 km nach Donnas sein. Eine Ewigkeit nach meiner Ansicht. Irgendwie wollte ich schon in Donnas sein. Mein Schlafdefizit machte sich bemerkbar. Die 10 km nach Pontbosset waren eigentlich Wunderschön. Ein toller Wildbach entlang, Viele Hängebrücken aber auch viele kleine Gegenanstiege gab es zu bewältigen. Nach nochmals 2 Stunden kam ich dann endlich in Pontbosset an. Hier war der Jubel groß. Die Zuschauer riefen einem zu und läuteten die Kuhglocken. Noch 8 km bis zu meinem Bettchen. In der Mittagshitze konnte ich mich nicht bewegen zu einem zügigen Laufen. Strammes gehen reichte aber, um nicht überholt zu werden. Endlich war ich dann in Hone, bekannt für sein Riesenburg. Links davon war der Weg nach Donnas. In den Straßen von Donnas kam ich mich nach so viel Natur irgendwie wie ein Fremdkörper vor. Ich kam als 293. um 14:45 Uhr bei der Sporthalle in Donnas an. Zeit für eine Schlafpause. Der Cut-Off wäre um 02:00 Uhr nachts gewesen. Damit hatte ich darauf gut 11 Stunden Vorsprung. Kaum zu glauben wie gut es mir ging. Nach einem guten Essen legte ich mich (mittags) für 3,5 Stündchen hin. Ich hätte natürlich den Wecker später stellen sollen aber ich hatte zu viel Respekt für den 4. Sektor die ich von unsere Erkundungs-Wochenende kannte.


Um 19:00 Uhr als 324. begab ich mich wieder auf der Strecke. 7 Stunden vor Cut-Off. Habe ich genug geschlafen? Ich wusste es nicht. Es fiel mich aber nicht schwer, auf zu stehen. Sektor 4 kannte ich von unsere Erkundungs-Wochenende von vor etwa 8 Wochen. Es ist angeblich der schwierigste Abschnitt. 53 km und 4 Gipfel von etwa 2300 m. Der Anfang ist allerdings bei 330 m. Man ist angeblich großartig, wenn man, als normal Sterbliche ohne 57 Stunden Vorbelastung, diesen Abschnitt unter 24 Stunden schafft. Halleluja!

Es war noch hell und den ersten kleinen Buckel mit 500 hm von Donnas nach Perloz konnte ich noch weitgehend im Hellen machen. Danach ging es ans Eingemachte. Rifugio Coda liegt auf 2224 m. Von Perloz (663) aus sind das knapp 1600 hm. Das ist eine Menge. Die Strecke verläuft überwiegend im Wald. So hin und wieder ziemlich steil, mal abgewechselt durch ein paar Dörfchen. Irgendwann sah ich eine Bank mit einer hellen Laterne. Da wechselte ich mir die Batterien von meiner Stirnlampe. Irgendwie lief es nicht so wie ich wollte. Zwar wurde ich, außer von einem Japaner der Blitzschnell an mich vorbeilief, nicht überholt aber ich fühlte mich müde. Nachdem ich noch was gegessen hatte, machte ich mir mit einem Engländer weiter auf dem Weg. Viel sprachen wir nicht. Auch ihm ging es nicht besonders gut. Es war warm, … sehr warm. Ich hatte nur ein T-Shirt an und trotzdem war mir nachts warm. Bei der nächste Verpflegung Berger/Sassa (1443) merkte ich, daß ich meine Reserve-Batterien nach dem Batteriewechsel vergessen hatte einzustecken. Die Stirnlampe war versorgt aber mein GPS- Gerät bräuchte heute auch noch welche. Es geht aber auch ohne. Innerhalb von ein paar Minuten waren wir wieder unterwegs.

Jetzt wurde es steiler und die Bäume wurden weniger. Irgendwann kam dann das fiese Stück nach Col Clarisey. Öfter waren Geröllfelder ohne erkennbarer Weg zu überqueren. Dann wurde es sumpfig, danach wieder steiler und recht ungemütlich und windig dazu. Der Anstieg dauerte lange. Der Engländer war mittlerweile ein ganzes Stück hinter mir. Endlich dann Col Clarisey (2124). Von dort aus konnte man sagenhaft in die Piemont herunter schauen. Tief im Tal sah man die ganze Ebene voller Lichter. Für mich ging's jetzt am Grat entlang nach Rifugio Coda (2224). Dieses Stück hatte ich irgendwie deutlich kurzer in Erinnerung. Oben angekommen bekam ich eine Ministronesuppe. Der tat so gut, daß ich noch einen Teller fragte. Irgendwie war meine Müdigkeit verschwunden und fing mit dem Abstieg an. Hier musste ich fluchen. Ja, der Abstieg ist steil und unwegsam. Ich hatte dummerweise für diesen Sektor mal die Schuhe gewechselt. Die Salomons sind etwas steifer als meine Asics-Trabuccos. Da es in Sektor 4 sehr steinig ist, dachte ich meine Füße damit etwas zu schonen. Woran ich aber nicht gedacht hatte, ist das die Salomons durch das härtere Gummi auch weniger Gripp haben. Ich fluchte weil das Bergablaufen damit nicht so schnell ging. Öfter rutschte ich aus und saß auf meinem Hintern. So ein Mist. Erst heute Abend gäbe es wieder die Möglichkeit auf meine Trabuccos zurück zu wechseln. Hier musste ich durch. Deutlich langsamer bergab wurde ich dann auch von ein paar anderen eingeholt. So bald es flacher wurde, konnte ich wieder mithalten. Die Gegenanstiege waren recht willkommen. Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich unten bei Lago Vargno (1670), ein Stausee mit Verpflegungspunkt, ankam. Hier wurde gegrillt. Dafür hatte ich kein Auge und bin nach 5 Minuten schon wieder weiter gezogen. Eigentlich wollte ich noch im Dunkeln oben auf Col Marmontana (2348) ankommen. Das klappte vorne und hinten nicht. 30 Minuten vor dem Col musste ich mich für 15 Minuten hinlegen und die Augen schließen. Danach ging's wieder. Es war aber schon hell geworden. Die letzten Höhenmeter waren dann schnell erledigt.

Auf der anderen Seite ging es wieder steil bergab. Wieder verfluchte ich meine Schuhwahl. Vorsichtig rutschte ich zum Verpflegungspunkt am Lago Chiaro (2096) Hier war der Verpflegungspunkt in einer Kabine, der vom Hubschrauber dahin gebracht worden war. Das gab es öfter hier bei dem Wettkampf. Was für ein Aufwand doch betrieben wurde um es uns Läufer recht zu machen. Unglaublich. Ab hier konnte ich wieder joggen. Leider nicht lange, denn es ging noch mal steil Bergab, bevor es auf einmal rechts steil Bergauf ging. Col de Crenna Lui (2311) ist steil aber irgendwie gefällt mir diesen Berg weil er so einzigartige Formen hat. Deswegen habe ich da 2 sehr schöne Bilder machen können. Gemeinsam mit einem (anderen) Engländer war den steilen Anstieg doch recht flott bewältigt. Der weg `runter war anfänglich eine wahre Katastrophe: steil, sandig, rutschig. Ich konnte weinen, so verfluchte ich meine Salomons. Aus dem Schatten heraus, wurde es dann wegsamer. Hier konnte ich wieder auf den Engländer aufschließen. Gemeinsam ging's weiter über einen kaum erkennbaren Pfad bis zur Verpflegung kurz vor Colle della Vecchia. Hier wurde gegrillt, lagen ein paar Teilnehmer in der Morgensonne und in der abgestellten Kabine schliefen ein paar Teilnehmer. Gesellig setzte ich mich ans Lagerfeuer und unterhielt mich mit einer Teilnehmerin, dessen Mann in der Kabine eine Runde schlief. Sie war nicht müde und besser drauf als letztes Jahr, wo sie in der 4. Sektor aufgeben musste. Nach einem Bierchen machten der Engländer und ich uns auf dem Weg. Es waren noch 200 hm bis Colle della Vecchia (2184). Danach verlief die Strecke über einen gut laufbaren Römerweg. Irgendwie fand ich es merkwürdig, hier ins Abseits so fein säuberlich angerichtete Steine zu finden. Als der Römerweg zu Ende war, fing der Wald mit seine vielen Gegenanstiege an. Die Mittagshitze war gerade mal so erträglich. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir im Malerischen Niel an. Erfreulicherweise erfuhr ich, daß ich 278. war. Trotz zunehmende Müdigkeit einer sehr erfreulige Nachricht. Ich konnte es mir dennoch nach knapp 76 Stunden laufen mit lediglich 3 Stunden schlafen nicht erklären.



Ein Viertel Stündchen Pause in der Mittagshitze musste sein. Ich nahm eine Liege und füllte meine Trinkblase. Ein Teilnehmer gegenüber mir wurde von Sanitäter an seine Füße behandelt. Seine Füße sahen recht schlecht aus. Ich inspizierte meine Füße: Gamaschen hoch, Schuhe aus, Kompressionsstrümpfe aus. Außer Dreck und ein paar rote Druckstellen konnte ich nichts finden. Ich reinigte meine Füße und zog 5 Minuten später alles wieder an. Fünf Minuten später befand ich mich wieder auf der Strecke, diesmal eine elend unebene alte Römerstraße, bei dem man immer aufpassen muß, seine Hacksen nicht zu brechen. Nach etwa 200 hm in der Hitze legte ich mich ins Grass unter einem Baum und schloss meine Augen. Etwa ¾ Stunde später ging ich weiter. Col Lazoney (2364) ist der letzte Berg vor Gressoney, der 4. Base Vita. Immer noch müde drückte ich mich hoch. Von andere Teilnehmer keine Spur. Dann irgendwann auf halber Höhe klingelt mein Handy. Nur wenige Menschen kennen die Nummer. Merkwürdigerweise wurde ich in 10 Minuten von 4 verschiedenen Leuten angerufen die wissen wollten wie es mir ging. So ein Zufall. Ab jetzt bekommen noch weniger Leute meine Handynummer :-) Langsam kamen Wolken vor der Sonne. So ab 2000 m Höhe ging es mir dann auch deutlich besser und konnte mich an 2 Mitstreiter hängen, die mich gerade überholt hatten. Gemeinsam kamen wir oben an. Ab dort ging's aber nicht bergab. Eine lange Hochebene nach Oberloo ließ sich so gut laufen, daß ich meine Mitstreiter bald nicht mehr sehen konnte. Ich war euphorisch. Endlich ging's mir wieder gut.


Bei der Verpflegung in Oberloo meinte der Mann dort, daß es nur noch gut eine Stunde nach Gressoney wäre. Ich erwiderte: "nie im Leben". Ich kenne diese Strecke doch. Bald käme ein sehr unangenehmes Felsbrocken-Geröllfeld. Er meinte, er hat den Weg gemacht und wusste nichts von Unangenehmlichkeiten. Verunsichert setzte ich meinen Weg fort. Die Strecke war aber genau so gesteckt, wie wir sie im Vorfeld erkundigt hatten. Natürlich kam dann doch dieses Geröllfeld. Mitten im Wald ging's gnadenlos steil bergab. Fast nirgendwo fand ich mit meinen Salomons einen Halt. Ich fluchte jeden Baum an. "Das darf doch nicht wahr sein". "Keiner geht hier doch freiwillig spazieren". Dann kam mir ein italienisches Pärchen entgegen. Sie waren zum Spaziergang hier unterwegs. Ich verstand die Welt nicht mehr. Nach einer ewig dauernden Kraxelei kam ich dann unten an auf etwas was einigermaßen laufbar war. Nur ich wollte nicht laufen. Diese Aktion hat mir wieder mindesten eine knappe Stunde extra gekostet. Später auf dem Asphalt stand "1500 m" gemalt. Diese bin ich dann nur noch lediglich stramm gewandert. Zu mir gesellten noch ein paar Teilnehmer, alle ähnlich fertig wie ich. Gottseidank war da dann endlich die Sporthalle in Gressoney. Dennoch hatte ich mich nach 81 Stunden laufen auf den 274. Rang vorgearbeitet, allerdings mit nur noch 6 Stunden Vorsprung auf dem Cut-Off. Ich war erst mal fertig mit der Welt. Ein Bier und eine Dusche, aber dalli!

Der Base-Vita in Gressoney ist eine große Sporthalle. Jeder wurde ausgiebig im Eingangsbereich ausgiebig beklatscht und Willkommen geheißen. Meine Tasche würde mir sofort gereicht. Alles hier war sehr gut organisiert. Mein Plan: Als erstes essen, dann duschen, dann etwas hinlegen und in mich hinein horchen ob ich hier schlafen kann. Das Essen war zwar eintönig aber gut. Pasta "rot" ("weiß" heißt hier: mit nichts). Auf dem Pasta konnte man aber alles drauf machen: Salami, Kochschinken, Käse, Tomaten, gekochte Eier, Paprika, usw. Also für mich: alles! Ich nahm zusätzlich eine Suppe. Direkt nach dem Essen verschwand ich sofort unter der Dusche. Es war niemand da. Die Duschen waren großzügig und wirklich heiß. Etwa 10 Minuten müsste ich drunter gestanden haben. Meine Füße hatten nach wie vor keine Blasen. Das warme Wasser war wie Balsam auf mein Rücken. Aber wie es halt ist: es ist Wettkampf. Also Zähne putzen unter der Dusche, Fußmassage unter der Dusche, Bierchen unter der Dusche. Alles im Eiltempo. Dennoch war es himmlisch. Ich zog schon mal die Laufklamotten an und endlich wieder meine heiß geliebte Trabuccos. Aus der Dusche ‚raus wollte ich nicht in den Schlafsaal. Ich dachte, es wäre besser, mich ein Stündchen oder so sonst wo hin zu legen und gleich weiter zu machen.

In der Halle traf ich auf Thomas. Ich freute mich und fing gleich über den letzten Abstieg zu sprechen. Er meinte darauf, er wäre in Niel ausgestiegen. Etwas unglaublich starrte ich ihn an und empfand auf dem Moment tiefste Trauer. Irgendwie klang es surrealistisch, hier auf zu hören. Dennoch war für ihn hier das Ende. Ich sagte darauf: tut mir Leid aber ich muß irgendwie ein Stündchen schlafen. Da es in der Halle trotz vieler Leute recht ruhig war, legte ich mich an der Seite mit meinen Beinen etwas hoch am Rand der Halle. Nach Etwa 40 Minuten meinte ich, jetzt kann's weiter gehen. Ich verabschiedete mich von Thomas, der noch am Tisch saß. Ich streifte meinen Chip nach knapp 3 Stunden Pause am Computer und sah, daß ich jetzt 259 war. Wow, das läuft ja richtig gut. Draußen fing dann die Wahrheit wieder an. Erst mal waren wirklich 3 bis 4 km flach angesagt. Ich ließ es erst mal ruhig angehen. Nach 2 km versuchte ich dann ruhig zu joggen. Nach 100 Meter ließ ich es dann sein. Ich war irgendwie doch müde. "Merkwürdig". Nach nochmals 20 Minuten gehen - ich wurde da schon von einigen überholt - fing der Anstieg nach Rifugio Alpenzu (1780) an. Der Anstieg war so steil, daß ich richtig mühe hatte, mich hoch zu drücken. Wieder überholten mich einigen. Recht kraftlos bewegte ich mich langsam aufwärts. Eine Bank am Rand verleidete mich dazu, mich mal für 10 Minuten hinzulegen. Danach war es aber auch nicht besser. Ich quälte mich richtig den Berg hoch. Mit jede Ameise der in meinem Lichtkegel vorbeikrabbelte, fing ich quasi ein Gespräch an. So langsam war ich. Wieder wurde ich von einigen überholt. Ich schaute mal nach, wie weit es dann zum nächsten Verpflegung wäre, bzw. wie viele Höhenmeter noch zu absolvieren sind. Es dürften noch 200 hm sein. Fleißig machte ich mich auf dem Weg und siehe da: es geht doch. Relativ zügig war ich dann in Refugio Alpenzu. Hereingekommen setzte ich mich erst mal an einem Tisch und legte meinen Kopf drauf. Nach etwa 10 Minuten fragte mich der Chef dort, ob ich nicht mal richtig schlafen möchte. Er gab mir ein Bett und fragte: "wie lange?" Da man an Refugios in dem Wettkampf maximal nur 2 Stunden schlafen darf und ich der Cutt-Off schon ziemlich im Nacken fühlte, sagte ich: "eine Stunde, bitte". Ich legte mich hin und nach einer Stunde wurde ich dann auch geweckt. "Es geht weiter". Ich packte zusammen, aß noch was Schokolade und draußen war ich… aber nicht lange. Uiuiui, war das kalt auf einmal. Ich zog alles an was ich dabei hatte. Nach wie vor zitterte ich wie ein Espenblatt. Ich ging wieder ‚rein. Da traf ich Anke Drescher und erzählte ihr mein empfinden. Sie meinte: "Raus, weitermachen, der nächste Cut-Off ist erst in 40 km. Wer weiß richtet sich Dein Körper wieder. Recht hatte sie aber nachdem mir klar war, daß es erst mal 1000 m bergauf nach Colle Pinter (2776) geht und dann wieder 800 m herunter nach Rifugio Crest (1952) und daß ich für diese 8 km bestimmt etwa 4 Stunden brauchen würde. War mir klar. Das packe ich nicht in diesen Zustand. Vielleicht war es nur der Kopf oder doch eine vernünftige Entscheidung. (Nachtrag: es war eine unvernünftige Entscheidung. Ich hätte auf Anke hören sollen)

Ich teilte der Wirt dort mit, dort schlafen zu wollen. Mit nur noch etwa eine Stunde Vorsprung auf dem Cut-Off erkundigte er, ob ich nicht mehr weiter machen möchte. Ich sagte "ja", ich will schlafen. Meinen Chip wurde abgemacht und ich bekam einem Bett, diesmal ein anderes. Um etwa 08:00 morgens wurde ich wach und war ganz alleine in dem Schlafsaal. Unten war außer der Wirt auch keiner mehr und bekam von ihm ein Frühstück, daß ich nicht zahlen dürfte. Recht ausgeschlafen bedankte ich ihn und ging ‚raus. Die Sonne schien schon aber hier war ich noch im Schatten. Ich wanderte das steile Stück herunter. Bald versuchte ich ob ich noch joggen konnte. Das ging. Die ganze Strecke herunter bin ich dann flott herunter gelaufen. Unten schlief Georg, der Freund (und Betreuer) von Anke. Er war gerade vor seinem Zelt am Frühstücken. Ich gesellte mich zu ihm und rief den Thomas an. Er würde mich in Gressoney abholen. Gemütlich konnte ich dann im Tal vom "Monte Rosa" in die pralle Sonne zurück zum Base Vita wandern. In dieser Stunde war mir klar, daß ich an eine schlechte Schaftaktik gescheitert war und war gar nicht enttäuscht. Ich wusste, wenn ich das verbessere, dann könnte ich hier gut durchkommen. Das alleine stellte mich merkwürdigerweise richtig zufrieden und konnte die Umgebung so richtig genießen.

An der Sporthalle in Gressoney zurück gekommen, sprach mich erstaunt eine Frau an. Ich trug meine Startnummern noch und sie wollte wissen was mit mir los war. Es stellte heraus, daß sie die Chefin vom Base-Vita in Gressoney ist. Nachdem ich sie mein Schicksal erzählt hatte, informierte sie mich noch über das Rennen. "Der Sieger ist gerade disqualifiziert worden weil er eine falsche Strecke gelaufen ist". Es ist unklar wieso er den letzten Teilabschnitt von Rifugio Bonatti nach Courmayeur so schnell hat laufen können. Dann war auch der Thomas schon da. Die Fahrt von Gressoney zurück nach Courmayeur dauerte etwa 1,5 Stunde. Hier wurde mir klar, wie weit ich überhaupt gelaufen bin. In Courmayeur sind wir, nachdem ich mich erst mal geduscht hatte, ins Zentrum gefahren um die Finisher ins Ziel laufen zu sehen. Da war noch nicht viel los, also sind wir durch's Tal am Mont Blanc entlang Richtung Plancipieux gefahren um dort eine Pizza zu verdrücken. An den Rest danach kann ich mich nicht so recht erinnern. Ich habe viel geschlafen, abends im Refugio warm gegessen und wieder ins Bett gegangen.

Der morgen danach fühlte ich mich wie neu geboren. Als erstes haben wir uns erkundigt, wann der Uwe und der Thomas ins Ziel erwartet werden. Im Zielbereich erfuhren wir, daß Uwe eine gute Stunde vor Thomas war und etwa 11:30 Uhr ins Ziel laufen würde. Wir holten unsere Kameras aus dem Auto und schlenderten durch das Zentrum von Courmayeur. Jedes Mal wenn ein Finisher durch die Straßen vorbei rannte klatschen alle dort anwesenden. So viele Zuschauer wie im Ziel bei der UTMB gab es nicht. Es kommt auch nur alle 15 Minuten jemand ins Ziel. Richtig familiär. Bald lief dann auch der Uwe nach etwa 125 Stunden Laufzeit als 111. im Ziel und war sichtlich gerührt. Im Zielbereich war jeder freundlich und hilfsbereit. Uwe setzte sich, trank ein Wasser und schaute das Treiben von der Seite aus an. Es ging ihm den Umständen entsprechend gut. Außer Blasen und Zahnschmerzen hat er keine Probleme zu melden. Bald war dann auch Thomas im Ziel. Er hatte der letzte Abschnitt ununterbrochen gerannt und hat auf Uwe eine halbe Stunde gut gemacht. Er strahlte von Ohr zu Ohr. Sein Scherz: "wo geht's hier auf der 2. Runde" haben da nur wenigen verstanden. Die Finisher im Ziel schienen sich alle gut zu kennen, egal welche Nationalität sie hatten. Immerhin sind sie 5 Tage in etwa miteinander gerannt und haben sich immer wieder gegenseitig überholt, je nach Pausenstrategie. Ich erkannte einige aus "meinem Bereich" wieder und konnte sie persönlich gratulieren.

Da es den ganzen Tag und Nacht weiter Zieleinläufe geben würde und wir nicht die ganze Zeit da sein wollten, fuhren wir nach unserem Rifugio zurück und faulenzten den ganze Tag herum. Auch der nächste Tag, der Samstag, haben wir nichts unternommen. Beine hoch, ein Bisschen plaudern, was lesen und schon mal packen für die Rückreise. Das Wetter hatte sich schlagartig verschlechtert und es regnete zum Teil heftigst. Ich musste an die Teilnehmer denken, die noch unterwegs sind. Nur zu gerne würde ich in dem Regen noch unterwegs sein, denn dann wäre ich noch im Rennen. Sonntags morgens um 11:00 Uhr war der Siegerehrung. Diese war sehr ergreifend. Nicht nur die 5 beste Männer und Frauen und die 3 Besten der Altersklassen wurden geehrt. Es wurde jede(r) Finisher persönlich nach Vorne gerufen um sein Finisher-Weste ab zu holen. Das dauerte mit etwa 300 Finisher durchaus lange aber es hat was von einer Riesen-Feier. Alle hatten sich gegenseitig genug zu erzählen. Tja, wie gerne wäre ich auf dem Moment auch nach Vorne gerufen worden. Nach gut 2 Stunden sind wir dann zum Auto um unsere Heimreise anzutreten.

Es ist wie damals in 2006 beim UTMB. Das 1. Mal habe ich es dort auch nicht geschafft, dann aber drei Mal hinter einander. Wahrscheinlich gibt es in 2012 die 3. Austragung der Tor des Géants und kann mir gut vorstellen, daß ich mich dafür anmelde. Noch ist ein Bisschen Bedenkzeit da.

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