Ägypten-Marathon 2000

Ein Lauf zwischen Gräber und Zuckerrohr

Die Strecke in Luxor ist AIMS vermessen. Die Marathonis hatten 4 Runden von je knap 10 km zu absolvieren. Vom Start bis zu dieser Runde gab es erst mal ein Gefälle von etwa 1,3 km, das am Ende natürlich in umgekehrte Richtung absolviert werden musste. Die Gesamtstrecke ist wellig, laeuft durch 2 Dörfer und hat auch 2 lange flache Geraden. Die ganze Strecke ist asphaltiert.

Unser Reisebus fuhr direkt an die Startlinie. Noch im Bus wurde sich umgezogen und unsere Wertsachen konnten wir im Bus liegen lassen. Beim Ausstieg musste Klaus, ein Österreicher (Nix für Ungut...) den wir diese Woche kennengelernt hatten, sich übergeben. Eine Folge eines der vielen Bierchen am Vorabend. Selbst schuld! Auch das soll trainiert sein. *grins*

Temel von Hatschepsut

Der Start am Tempel von Hatschepsut stimmte mich etwas nachdenklich. Vor 2 oder 3 Jahren war hier das Drama, wobei Terroristen einen Anschlag auf Touristen verübt hatten. Das hatte damals verheerende Folgen. Ein Schauer lief über meinen Rücken. Schnell noch ein paar Foto's um diese unheimliche Kulisse fest zu halten.

Viel Zeit zum Warmlaufen gab es nicht. Das war auch nicht nötig. Eine (für mich) gute Zeit hatte ich mir sowieso nicht vorgenommen. Im Rahmen meines 12-Marathons-in-einem-Jahr-Programmes wollte ich nur die 4 Stunden nicht überschreiten. 3:50:00 oder so wäre prima.

Peng,... da ging es dann auch schon los. Bergab und voller guter Laune. Rechts war Peter, links vor mir war Petra. Eine ganze Menge Ägyptische Jugendliche rannten wie Besessene los. Die mußten auch nur 12 km laufen. Bloß nicht mitrennen, dachte ich. Petra lief immer weiter von mir weg. Mal kurz gleichziehen... Hallo, ich laufe mal einen Teil mit Dir mit.

Nach einem Kilometer sahen wir in etwa 300 Meter vor uns schon die Spitzkehre zur Rundstrecke. Die Ägyptische Jugend aber auch, und die sahen sogar die Spitze des Feldes ganz nah an uns vorbeirennen. Warum einen Umweg laufen, wenn's auch direkt geht, dachten die. Massen von Jugendlichen gingen deswegen auch quer durch den Wüstensand rechts ab und schnitten dabei ein gewaltiges Stück ab. Wir liefen natürlich brav um die Spitzkehre herum.

Nach etwa 3 oder 4 Kilometern war mir dann das 4:30er Tempo doch ein bisschen zu schnell. Ich sagte Petra, dass ich ein wenig Tempo herausnehmen würde. Sie sollte weiter machen. Langsam lief sie von mir weg. Wir liefen jetzt durch ein kleines Dörfchen mit verwinkelten Strässchen. Nach 5 km fing die erste lange Gerade an. Ich traute meinen Augen nicht. Da überholte mich ein kleines Auto, voll bepackt mit Ägyptischen jugendlichen Teilnehmer. Die konnte man gut an deren einheitlichen weißen T-Shirts erkennen, mit dem Aufdruck "Minister of Youth" und deren Startnummern. Tja,... so kann ich auch gewinnen. *grins*. Ich lief an den Kolossen von Memnon vorbei, trank ein wenig Wasser und sah Petra weit vor mir.

Memnon Kolosse

Am Ende der langen Gerade war eine Art Straßenkneipe mit lauter Ägypter die Wasserpfeife rauchten. Hier mussten wir links ab auf die 2. lange Gerade. Links und rechts waren jetzt Zuckerrohrfelder zu sehen. Eintönig war das nicht. Man war immer umringt durch bettelnde Kinder und ich hatte das Gefühl, dass ich hier derjenige war, der irgendwie fehl am Platz war. Die 2. lange Gerade war zu Ende und hier ging es links durch ein Dörfchen durch mit einer sehr breiten Straße. Der Geruch von frischem Brot gab mir ein ganz angenehmes Gefühl. Ganze Scharen Kinder liefen hier barfuss herum.

Hier fing eine leichte Steigung an, bis zum Wendepunkt auf der Strecke zum Tal der Könige. Ich sah Petra gerade noch. Sie hatte knapp 2 Minuten Vorsprung. Ich war also kaum langsamer geworden. Das 10 km-Schild passierte ich in etwa 45:30. So,... jetzt nur noch 3 Runden. Dieser Teil der Strecke war recht wellig, aber ich blieb in etwa auf einem Tempo von 23:00 Min pro 5 km. Wenn das mal nicht in die Hose geht.

Die gleiche Runde zum 2. Mal. Kaum kam ich bei km 15 aus den verwinkelten Strässchen heraus, filmte mich eine grosse Kamera auf einem Auto minutenlang. Der Marathon wurde in Ägypten live übertragen. Liege ich so gut im Rennen, daß meine Person interessant genug ist? Dachte ich, und legte noch was drauf. Bei den Memnon Kolossen war die Kamera immer noch bei mir. Das Rennen hat sich zwar ziemlich auseinander gezogen, trotzdem hatte ich in der kurzen Zeit wieder 2 Läufer überholt. So habe ich wenigstens einen guten Eindruck hinterlassen. *grins*

Ich hatte die lange Gerade wieder hinter mich gebracht und ich fühlte mich wunderbar. Es war etwa 20 Grad. Fuer mich ist das ein Tick zu warm. Gott sei Dank war es ein wenig bewölkt. Bei der Wendestrecke sah ich Petra schon Richtung Ziel rennen. Sie sah mich nicht. Ich wusste schon, dass sie eine gute Zeit hinlegen würde. Ich fing meine 3. Runde an. Wieder wellig, wieder diese verwinkelten Gässchen. Langsam wurde es immer wärmer. Mein Schnitt von 23 Minuten auf 5 km war immer noch da. Vor mir kein Läufer zu sehen. Hinter mir, weit zurück, sah ich etwas bewegen.

Wieder diese 2. lange Gerade. Ein wenig trinken bei km 25, und weiter geht's. Da überrundet der japanische Spitzenläufer "Mr. Nakayama" mich bei etwa km 28. Kurz denke ich: "So schnell sieht das auch wieder nicht aus" und versuche mein Tempo zu erhöhen. Da merke ich wie müde ich mittlerweile schon bin. Ich lass das "dranhängen" lieber. *grins*. Noch bevor ich die 4. Runde angefangen hatte, überrundeten mich noch 4 Ägypter, die natürlich alle schon fast im Ziel waren.

Alleine ging ich auf die 4. Runde. Jetzt quälte ich mich ein wenig. Halte ich das durch? Soll ich bewußt mein Tempo drosseln? Warum stellen die Organisatoren die Getränkestände genau in die Aussenkurven? Das ist mir jetzt zu viel Aufwand. Nach wie vor war vor und hinter mir kein Läufer zu erkennen. Zum letzten Mal durch diese verwinkelten Gässchen. Da traf ich auf eine Gruppe Teilnehmer, die die 22,3 km Strecke (2 Runden) mehr oder weniger im Spaziergang absolvierten. Zügig rannte ich vorbei, rief Hallo und einer erwiderte noch mit einem amerikanischen Akzent: "Go for it, boy". Das tat mir gut. Bei km 30 sah ich, dass ich etwa 24:00 für die letzten 5 km gebraucht hatte. Das wird noch schwierig.

Der Mann mit dem Hammer blieb aus. Ich absolvierte die 2 langen Gerade immer noch souverän. Die Kolosse jetzt zum letzen Mal. Wieder die Zuckerrohrfelder. Die Kinder bettelten und diesmal liefen die mein Tempo locker mit. Ich hatte diesmal nicht die Kraft zu beschleunigen. Einer wollte meine Uhr. Ein Anderer wollte mein Cap. Wieder ein Anderer wollte sogar meine Startnummer. "Sind die denn gänzlich von einer anderen Welt?" fragte ich mich.

Die Kinder ignorierend und mit etwas Extra-Power lief ich wieder hoch zum Wendepunkt. Km 40 und ich war müde. Nur noch 2 km bergauf und ich habe es mal wieder geschafft. Packe ich das noch unter 3:30? Eine Gehpause würde mir entgegenkommen. Nein,... nur ein paar langsame Schritte bei der Wasserstelle und los... Jetzt muss ich die 3:30 doch noch schaffen koennen. Ich hatte noch etwa 15 Minuten fuer die 2,2 km. Da überholte mich ein Läufer. Ich konnte nicht schneller. Meine Güte, das ist ganz schön hart, bergauf.

Weit vor mir sehe ich das Ziel. Meine Uhr sagt, dass ich noch 5 Minuten habe. Mit aller Kraft laufe ich Richtung Tempel von Hatschepsut. Da sind schon bekannte Gesichter. Noch mal richtig Gas geben. Das Tempo ist bergauf trotzdem nur bei 6 Min pro km. Ich laufe genau bei 3:28:25 ins Ziel. Geschafft und überaus glücklich. Petra staunt und freut sich mit mir. Das war mein viertbester Marathon von den 25, die ich mittlerweile absolviert habe. Ein Riesenerfolg also. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass die Strecke nicht flach war und der Zieleinlauf bei etwa 25 Grad stattfand.

Petra erzählte mir, dass sie dem Ägyptischen Fernsehen ein Interview gegeben hat. Ihre Platzierung ist noch nicht bekannt. Abends erfahre ich sogar noch, dass ich 3. in der Altersklasse M40 geworden bin. Viel besser war noch die Petra: Gesamt 5. und 1. in ihrer Altersklasse. Das ist doch was. Oder?